Zu Demonstrationszwecken spricht Anja Adamek zwei Sätze ins Mikrofon: Es dauert nur eine Sekunde und der Text erscheint im Formular der elektronischen Pflegedokumentation auf dem Bildschirm. „Ist das nicht toll?“ Sie lächelt. Hier auf der Palliativstation werden besonders viele Informationen über die schwerstkranken Patientinnen und Patienten festgehalten: im Rahmen der palliativen Komplexbehandlung werden täglich die Symptome – dazu gehören Schmerzen, mangelnder Appetit, Übelkeit, Erbrechen, Atemprobleme, Anspannung oder auch Angst – kontrolliert und dokumentiert.
Früher trug das Pflegepersonal solche Details per Hand in die sogenannte Papierkurve ein. Die Angaben am Rechner zu machen, könnte man bereits als Fortschritt auffassen. Aber Anja Adamek sagt: „Beim Tippen ist man nicht so schnell, die Spracherkennung ist eine echte Entlastung. Auch Kolleginnen und Kollegen sind begeistert davon.“
Mehrere geförderte Projekte
Seit etwa einem Jahr arbeitet das Team mit der neuen Technik. Sie ist nur eines von mehreren Projekten, mit denen am Klinikum Braunschweig die Digitalisierung vorangetrieben wird. Die Mittel dafür stammen aus Fördertöpfen, die mit dem Krankenhauszukunftsgesetz bereitgestellt wurden (siehe auch Seite 14). Wolf-Christian Varoß, Geschäftsbereichsleiter IT und Medizintechnik, erklärt: „Wir wollen qualitative Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen. Wichtig ist, dass die Maßnahmen wirtschaftlich sind, sonst ergeben sie keinen Sinn.“ Schneller werden, besser, effektiver, das sind die Ziele, die Wolf-Christian Varoß und sein Stellvertreter Andreas Schneider-Adamek beschreiben. Für Patientinnen und Patienten gibt es inzwischen das digitale Portal VitaConnect: Wer sich die Anwendung auf Smartphone, Tablet oder PC herunterlädt, kann schon vor seinem stationären Aufenthalt mit dem Klinikum kommunizieren und beispielsweise bisherige Untersuchungsergebnisse fotografieren und übersenden. Während des stationären Aufenthaltes lassen sich Mahlzeiten online buchen, Behandlungsinformationen sind elektronisch hinterlegt, ein digitaler Zwilling des Standortes Salzdahlumer Straße (künftig: Fichtengrund) hilft, sich im Gebäude und auf dem Gelände zu orientieren.
Beim Arztbrief gibt es ebenfalls Neuerungen. „Früher wurden diese Dokumente, die wichtig bei der Nachbehandlung durch niedergelassene Medizinerinnen und Mediziner sind, im Word-Format erstellt. Das heißt, es existierte keine strukturierte Erfassung“, erläutert Andreas Schneider-Adamek. „Ein automatisierter Arztbrief mit vorgegebenen Rubriken hingegen liefert klar gegliederte Informationen.“ Nils Anders, Oberarzt in der Klinik für Rheumatologie am Klinikum, hat die veränderte Version erprobt und weiterentwickelt. „Ich habe darauf geachtet, dass die Bedürfnisse so gut wie aller Kliniken unseres Hauses berücksichtigt sind.“ Vor allem aber: Das Wichtigste steht vorn in dem digitalen Formular, nämlich – jeweils in eigenen Fenstern – akute Diagnose, Neben- und Dauerdiagnosen, Therapie, eine zusammenfassende Bewertung (Epikrise genannt) und die Entlassmedikation. Anamnese und Laborwerte können ebenfalls eingesehen werden. „Diese Art der Übersichtlichkeit kommt niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen entgegen, die wenig Zeit haben“, betont Nils Anders. Der neue Arztbrief lässt sich anders als die Vorgängerversion auch in die elektronische Patientenakte einpflegen.
Wolf-Christian Varoß
Geschäftsbereichsleiter IT und Medizintechnik
Software verwandelt Sprache in Text: Pflegefachkraft Anja Adamek bei der Pflegedokumentation.
Software errechnet Medikamentendosis
Wenn bisher Medikamente verabreicht werden, kommt es auf die Anweisung des Arztes an – die dann von Pflegefachkräften befolgt und bei der Ausgabe der Arzneimittel umgesetzt wird. In ein digitales Medikationsmanagement fließen durch die Nutzung einer innovativen Software nunmehr auch Größe, Gewicht, Allergien und Laborwerte in die Berechnung der Dosis ein. Auch Wechselwirkungen mit anderen Mitteln werden berücksichtigt. So erstellt das System eine passgenaue Empfehlung, die individuell auf die Patientin oder den Patienten zugeschnitten ist. Eine weitere Innovation, die zugleich der Sicherheit und der Verschlankung von Prozessen dient, ist die digitale Leistungsanforderung. Statt dies telefonisch zu organisieren wie bisher, wird eine Untersuchung wie etwa eine Magenspiegelung elektronisch angefragt, der Leistungserbringer nennt einen definierten Termin (das vermeidet Wartezeiten), der pünktliche Abholvorgang wird ebenfalls in Gang gesetzt und auch das Ergebnis elektronisch mitgeteilt.
Einsatz rund um die Uhr
Wo ist Platz, nachdem eine Patientin oder ein Patient die Notaufnahme durchlaufen hat und stationär aufgenommen werden soll? In welchem Fachbereich muss nach einer Entlassung das benutzte Bett gereinigt werden? Wie lässt sich der Patientenbegleitdienst dirigieren, sodass keine Leerlaufzeiten entstehen? Für diese Fragen ist die Leitstelle für Belegungsmanagement und Logistik (LBL) mit ihren 15 Mitarbeitenden zuständig, und zwar rund um die Uhr an allen Wochentagen. Die Leitstelle koordiniert interne Transporte sowie die Reinigung und die Belegung des Hauses. Vier große Bildschirme an der Wand zeigen Informationen in Echtzeit. Eine Balkengrafik stellt die Auslastung der Kliniken dar. An oberster Stelle steht die Kardiologie. „Dort sind gerade keine Bettenkapazitäten mehr“, sagt Julia Eggert. Sie ist Chefin der Leitstelle und fasst zusammen: „Unsere Aufgabe besteht darin, Prozesse zu optimieren und zu beschleunigen.“ Erfolge der LBL sind klar messbar. Julia Eggert: „Wir konnten die Transportdauer bei Be- und Verlegungen um 50 Prozent reduzieren, auch die Pünktlichkeit dabei hat sich deutlich erhöht.“
Andreas Schneider-Adamek
stellvertretender Geschäftsbereichsleiter IT und Medizintechnik
Julia Eggert führt das Team der Leitstelle: Hier werden interne Transporte, Reinigung und Belegung koordiniert.
Klare Vorgaben für Fördermittel
Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), das 2020 in Kraft trat, bedeutet einen wichtigen Schub. Durch diese Initiative sollen deutschen Kliniken unterschiedliche Modernisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen ermöglicht werden: Deutschlandweit stellten Bund und Länder ab dem 1. Januar 2021 insgesamt 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Auch das Klinikum Braunschweig bewarb sich und hat insgesamt 12,3 Millionen Euro erhalten. Allerdings dürfen die Antragsteller das Geld nicht nach Gutdünken ausgeben, sondern müssen sich aus vorgegebenen elf Fördertatbeständen für Themen entscheiden, die sie voranbringen wollen. Bei jedem Fördertatbestand, einer konzentriert sich beispielsweise auf Patientenportale, gibt es Muss- und Kann-Kriterien, sozusagen eine Pflicht und eine Kür. Wer seine Verpflichtungen nicht rechtzeitig erfüllt, wird mit einem sogenannten Malus belegt, das bedeutet: Eine Klinik müsste Geld zurückzahlen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten ursprünglich alle Projekte, für die Fördermittel geflossen sind, bis Ende dieses Jahr vollständig umgesetzt sein. Diese Frist wurde jedoch bis 2027 verlängert, sofern die Fördermittel bis Ende 2024 beantragt waren.
Informative Links
Sie wünschen sich mehr Infos zum Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen? Wir haben nützliche Links für Sie.
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/krankenhauszukunftsgesetz/faq-khzg.html
- https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/2_Themen/2.1_Digitalisierung_Daten/2.1.8._Krankenhauszukunftsfonds__KHZF_/KHZG-Foerderrichtlinie_V03.pdf
- https://www.kma-online.de/aktuelles/it-digital-health/detail/das-khzg-und-der-huerdenlauf-wie-geht-es-2025-weiter-51987
- https://www.gelbe-liste.de/apotheke/khzg-chancen-hindernisse
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