Schulung

Klimaschutz

Weil weniger Energie mehr ist

Heizung, Belüftungsanlagen, Stromverbrauch: Alles kommt im Klinikum Braunschweig auf den Prüfstand. Denn das Energieeffizienzgesetz verpflichtet große Unternehmen, zur Erreichung der Klimaziele beizutragen.

Text: Prem Lata Gupta
Fotos: Nick Neufeld
Illustrationen: Lars Heppner/MMA

In einer Schulung: Izzettin Kaymaz (rechts) und Sanjie-Francis Ravi geben ihr Wissen weiter.

Es sind Führungskräfte aus dem Einkauf und Pflegedienstleitungen, die an diesem Tag gemeinsam am großen Tisch sitzen und interessiert auf den Bildschirm im Konferenzraum schauen. Die heutige Schulung ist mit der 30-seitigen Präsentation schon fast zu Ende, jetzt sollen sie noch Fragen beantworten.

Beispiel: „Wie hoch sind die gesamten Energiekosten im Klinikum Braunschweig?“ Wer gut aufgepasst hat, kennt die korrekte Antwort. Es sind 10,6 Millionen Euro jährlich. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die hier zugehört haben, fungieren als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die ihr Wissen in die eigenen Teams tragen.

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Prozent weniger Energie – relativ betrachtet – als derzeit sollen bis 2029 am Klinikum verbraucht werden.
Kälteanlagen

Die neuen Kälteanlagen im Gebäude Ost sind hochmodern und verbrauchen nur noch wenig Energie.

Maßnahmen für ein geplantes Energiemanagementsystem

Außerdem sollen künftig die Inhalte als digitales Lehrangebot für die rund 4500 Beschäftigten im Klinikum bereitgestellt werden. Hintergrund ist, dass Unternehmen, die jährlich mehr als 7,5 Gigawattstunden Energie benötigen, ein Energiemanagementsystem etablieren müssen. Das Klinikum Braunschweig übersteigt diesen Wert um ein Vielfaches. „Der Jahresverbrauch beträgt 55 Gigawattstunden“, erläutert Sanjie-Francis Ravi – hauptsächlich für Strom sowie Wärme- und Kälteerzeugung und für Dampf und Druckluft.

Er und sein Kollege Izzettin Kaymaz fungieren seit einem Jahr als Energiemanagementbeauftragte, am 8. August fand die Erstzertifizierung des Energiemanagementsystems nach DIN EN ISO 50001 statt. Dafür haben sie gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Energieteams viele Daten zusammengetragen und einen Maßnahmenplan initiiert, in den weitere Ideen einfließen. Zudem gibt es Aktionspläne für die Jahre 2025 und 2026: Was sie enthalten, soll konkret umgesetzt werden.

Energieverbrauch senken durch LED-Beleuchtung und Bewegungssensoren

Sanjie-Francis Ravi, Wirtschaftsingenieur im Gesundheitswesen, nennt ein mittelfristiges Ziel: „Bis 2029 wollen wir den relativen Energieverbrauch um fünf Prozent senken.“ Absolut wird der Energiebedarf, wie bei allen großen Verbrauchern, aber weiter anwachsen. Kein Wunder angesichts der Aufgabe, jährlich 50 000 Patientinnen und Patienten stationär und weitere 200 000 Menschen ambulant zu behandeln. Der Energieumsatz setzt sich in erster Linie aus Strom und Fernwärme zusammen, dazu kommen Öl und Gas. Wobei Öl und Gas mittelfristig nicht mehr als Energieträger genutzt werden sollen. „Durch keine Maßnahme darf der Klinik­betrieb beeinträchtigt werden“, betont Izzettin ­Kaymaz. Sanjie-Francis Ravi fügt hinzu: „Man kann alten Menschen, die in der Geriatrie behandelt werden, nicht einfach die Heizung um drei Grad runterdrehen.“ Es ist vorgesehen, die gesamte Beleuchtung im Klinikum auf LED umzustellen. Durch Bewegungssensoren springt das Licht in Klinikbereichen, die nicht ständig genutzt werden, nur bei Bedarf an. Der Standort Fichtengrund, ehemals Salzdahlumer Straße, ist bereits sehr gut damit ausgestattet.

Bei den Aufzügen hingegen wird die Modernisierung noch in diesem Jahr abgeschlossen, die letzten alten Anlagen etwa in der Klinik für Neurologie werden aktuell gegen neue Fahrstühle ausgetauscht. „Alte Aufzüge benötigen sehr viel Energie, außerdem müssen sie oft gewartet werden. Das ist ebenfalls teuer“, erläutern die beiden Wirt­schafts­ingenieure. Und sie zeigen auf, warum der Betrieb von Aufzügen generell einen echten Kostenfaktor darstellt. „Manche von ihnen fahren bis zu 500 000-mal im Jahr.“ Die Liste der Einsparmaßnahmen lässt sich fortsetzen: Am neuen Interdisziplinären Diagnostikzentrum des Klinikums in Rautheim ist Photovoltaik in Betrieb, um durch Solarzellen selbst Energie zu erzeugen. Dampfkessel, die mit Heizdiesel betrieben werden, sind zum Teil schon ausgetauscht gegen strombetriebene Anlagen: Der von ihnen erzeugte Dampf wird in der Zentralsterilisation und zur Befeuchtung der Klimaanlagen verwendet. Die Kälteanlagen als unverzichtbarer Bestandteil des Lüftungssystems im neuen Gebäude Ost zeichnen sich durch ihren minimalen Stromverbrauch aus.

Izzettin Kaymaz

Izzettin Kaymaz

Wirtschaftsingenieur und Energiemanagementbeauftragter

Sanjie-Francis Ravi

Sanjie-Francis Ravi

Wirtschaftsingenieur und Energiemanagementbeauftragter

Erhöhter Verbrauch in Bauphasen

Vergleicht man die Jahre 2023 und 2024, so ist es an der Celler Straße trotz der noch überwiegend alten Gebäudesubstanz bereits gelungen, etwa 6,5 Prozent des Stromverbrauchs pro Belegungstag einzusparen. Die Energiemanagementbeauftragten Kaymaz und Ravi geben zu bedenken, dass für das Klinikum gerade die jüngere Vergangenheit nur bedingt zur Betrachtung taugt. „Die Zeit der Corona-Pandemie ist nicht mit anderen Jahren vergleichbar. Und wenn viel gebaut wird wie am neuen Gebäude Ost, bedeutet das immer erhöhten Stromverbrauch.“ Gerade weil derzeit am Fichtengrund schon wieder die Bagger fahren, um den Gebäudeteil Süd zu errichten, auch weil energieintensive Medizintechnik ständig auf den neuesten Stand gebracht wird, gehen die Anstrengungen weiter.

Wenn Fenster ausgetauscht werden, dann nur gegen solche, die Wärmeverluste minimieren. Immer wird berechnet, in welchem Zeitraum sich eine Veränderung oder Verbesserung amortisiert. Izzettin Kaymaz: „Die Isolierung von Leitungen rechnet sich nach sechs, der Einbau neuer Fahrstühle nach sieben Jahren. Bei der Umstellung auf LED-­Beleuchtung hingegen sind nach einem Jahr die Kosten wieder drin, genauso bei Bewegungsmeldern.“

Energiemanagement ist ein Langstreckenlauf

Sanjie-Francis Ravi unterstreicht, dass ein effizientes Energiemanagement in einem so großen Haus wie dem Klinikum nicht von zwei Fachleuten allein gestemmt werden kann. Das Team umfasst neun Personen: Michelle Keck als Leitung des First Level Supports (technischer Dienst) gehört dazu, engagierte Betriebshandwerker wie Oliver Thomas genauso wie die Architektin Dagmar Giebel, eine Abteilung des Second Level Supports leitet. Vorschläge, wo man beim Energiemanagement ansetzen könnte, dürfen alle Mitarbeitenden machen, auch Pflegefachkräfte, die dafür Ideen haben. Das ist möglich über das hauseigene Meldesystem, in dem sonst Störungen dokumentiert und bearbeitet werden. Erfolgreiches Energiemanagement ist ein Langstreckenlauf: Gerade hat die Erstzertifizierung stattgefunden, jährliche interne Audits sowie externe Überwachungsaudits werden folgen. Und wenn alles gut läuft, findet 2028 die erfolgreiche Rezertifizierung statt.

Versorgungstechnik und Steuerung, Beleuchtung sowie Heiz- und Kälteanlage: Betriebshandwerker Oliver Thomas vom Team First-Level-Support des Klinikums Braunschweig packt an, wo es nötig ist.

Optimierung mithilfe von Software

Große Erwartungen setzen die Energiemanagementbeauftragten auch in eine Software, die für das Klinikum beschafft und angepasst wurde: Sie ermöglicht digital basiertes Gebäudemanagement, kurz CAFM (Computer-Aided Facility Management): Das CAFM-System des Klinikums unterstützt die technische und kaufmännische Bewirtschaftung sämtlicher Liegenschaften. Es ermöglicht die digitale Steuerung von Wartungen, Prüfungen, Störungen und Betreiberpflichten, verwaltet Flächen, Verträge und Energiedaten und bietet dabei eine durchgängige Dokumentation und Auswertung. Schnittstellen zu SAP-Software und mobile Lösungen sorgen für eine nahtlose Integration in die Arbeitsprozesse. „Indem wir alles erfassen, erhalten wir eine volle Transparenz über den Energieverbrauch“, erklärt Sanjie-Francis Ravi. Doch weil ein Maximalversorger wie das Klinikum Braunschweig wegen seiner unterschiedlichen, zum Teil noch historischen Gebäude ein Koloss ist, veranschlagt er mindestens zwei Jahre, bis die vollständige Datenaufnahme in die Software erfolgt ist.

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