
Gefäßchirurgie
Ist die Hauptschlagader im Brustbereich zu sehr erweitert, kann sie reißen oder sogar platzen. Das bedeutet Lebensgefahr. Bei einem neuen komplexen Verfahren am Klinikum Braunschweig implantiert der Gefäßchirurg minimalinvasiv eine Stent Endoprothese mit integriertem Seitenarm.
Text: Prem Lata Gupta
Fotos: Nick Neufeld
Quelle: Lombard
Illustrationen: © Lars Heppner/MMA, © bsd studio/iStockphoto.com

Oberarzt Dr. Dipak Raj Pahari ist Spezialist für komplexe endovaskuläre Eingriffe.
Unter Röntgenkontrolle wird die zusammengedrückte Prothese genau an der richtigen Stelle des Aortenbogens platziert. Dann lässt sich der Freisetzungsdraht ziehen und sie entfaltet sich.
Genauso sorgfältig wie der Hauptkörper der Prothese wird der integrierte Seitenarm positioniert. Wenn das kleinere Stück ebenfalls optimal ausgerichtet ist, wird im nächsten Schritt auch der Seitenarm freigesetzt.
Der erste Eingriff dieser Art liegt nur wenige Monate zurück. Seitdem hat Oberarzt Dr. Dipak Raj Pahari die von ihm praktizierte innovative Methode schon mehrfach bei einer Aussackung (Aneurysma) der Aorta angewendet. „Erfolgreich“, wie er betont. Der Bereichsleiter der Gefäßchirurgie unterstreicht, dass nur wenige Krankenhäuser in der Region solch ein komplexes Verfahren anbieten. Im konkreten Fall geht es um eine krankhafte Veränderung im Bereich des Aortenbogens, also des Abschnitts der Hauptschlagader, von dem auch wichtige Gefäße zu den Armen und zum Kopf abzweigen. Um diese wichtigen abzweigenden Gefäße weiterhin im Blutkreislauf zu erhalten, ist die neue Prothese ein Meilenstein in der minimalinvasiven Gefäßchirurgie.
Damit vollzieht sich ein grundlegender Wandel. „Bisher mussten Patientinnen und Patienten mit Aneurysmen im Aortenbogen häufig große traumatische Operationen mit Eröffnen des Brustkorbes und unter Einsatz einer HerzLungen-Maschine vornehmen lassen“, erläutert PD Dr. Wolfgang Harringer, Chefarzt der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Klinikum Braunschweig. Das sei nicht nur belastend für den Körper und bedeute eine längere Genesungsphase, sondern das herkömmliche Verfahren erfordere auch eine wesentlich größere OP. „Früher konnten wir sechs, sieben Stunden dafür ansetzen, der minimalinvasive Eingriff dauert nur eineinhalb Stunden. Danach können wir Patientinnen und Patienten in der Regel nach fünf Tagen nach Hause entlassen“, ergänzt Dr. Dipak Pahari.
Innovativer Stent bietet mehr Sicherheit
Und noch etwas ist neu – nämlich, dass die Prothese aus einem Stück ist. „Zuvor hatten wir es mit zwei Teilen zu tun. Das war nicht optimal, weil wir den kleineren Prothesenteil zum Arm oder zur Halsschlagader im OP an den Hauptteil andocken mussten.“ Diese Verbindung stellte sich im Lauf der Zeit als Schwachstelle heraus, da es an dieser Stelle immer wieder zu Komplikationen durch Prothesenverschiebungen kam. Bei der neuen Stent Endoprothese mit einem Seitenarm besteht dieses Risiko nicht. Die Prothese besteht aus Polyester, sie ist durchzogen von sehr feinen Drähten aus einer Mischung aus Nickel und Titan.
Das äußerst biegsame Produkt wird in einem Katheter zusammengecrimpt (durch Verformung miteinander verbunden) und wird über die Leistenader an Ort und Stelle gebracht. „Wir können sie unter Röntgenkontrolle millimetergenau positionieren“, betont der Oberarzt. Das ist auch deshalb möglich, weil der Eingriff im sogenannten Hybrid-Operationssaal des Klinikums vorgenommen wird: Der Röntgendetektor hier ist an einen Roboterarm montiert und kann Aufnahmen aus beliebigen Winkeln liefern. „Zusammen mit zuvor angefertigten CT-Bildern, die während der Operation in Echtzeit integriert werden, erreichen wir eine extrem präzise Darstellung“, sagt der Hybridtechniker Markus Trezeciak.
Alternative zur offenen Operation
Dr. Pahari nennt bestimmte Voraussetzungen, um solch einen Stent minimalinvasiv erfolgreich implantieren zu können: Es komme auf die geeignete Anatomie der Aorta an. Nicht jede erkrankte Aorta ist minimalinvasiv behandelbar. Außer für die gefährlichen Gefäßaussackungen sind hochmoderne Stents auch eine Behandlungsoption bei sogenannten Dissektionen, also wenn die Wandschichten einer Arterie aufreißen und Blut in die mittlere Aortenwand eindringt. Diese akute Erkrankung kann ebenfalls bedrohliche Komplikationen verursachen.
Auch solch einen Fall, so Oberarzt Dr. Pahari, „haben wir mit dieser modernen Prothese schon erfolgreich behandelt“. Chefarzt PD Dr. Wolfgang Harringer äußert sich optimistisch: „Diese neue Technologie wird zukünftig eine wertvolle Alternative zur herkömmlichen offenen Operation darstellen.“
Was ist ein Aneurysma?
Unter einem Aneurysma versteht man die krankhafte Aufweitung der Wand eines Blutgefäßes oder auch der Herzwand. Am häufigsten bilden sich diese Aussackungen, wie die Medizin sie auch nennt, im Bauch, in der Brust, am Herzen oder im Gehirn. Aneurysmen etwa im Schädel können angeboren sein, außerhalb des Kopfes sind sie zu 80 bis 85 Prozent durch Arteriosklerose bedingt. In der Regel verursacht ein Aneurysma keine Beschwerden. Entdeckt wird es oft zufällig, wenn Patientinnen oder Patienten wegen einer anderen Erkrankung untersucht werden – bei einem Bauchultraschall, durch Röntgenbilder, CT- oder MRT-Diagnostik. Ob ein Aneurysma im Brustbereich operiert werden muss, richtet sich unter anderem nach dem Durchmesser der Aorta an dieser Stelle und der Aortenkonfiguration. Ein Durchmesser von 5,5 Zentimetern gilt als kritisch. Wenn ein Aneurysma reißt, handelt es sich immer um einen Notfall, der schnellstens in einer Klinik behandelt werden muss.
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