Eisenstatus bei Herzproblemen prüfen

Schwache Herzen
brauchen Eisen

Wenn sich Beschwerden bei Herzinsuffizienz nicht mildern lassen, steckt oft Eisenmangel dahinter. Chefarzt Prof. Dr. Tibor Kempf rät, dies als Ursache unbedingt abzuklären.

Text: Prem Lata Gupta
Foto: Nick Neufeld

Prof. Dr. Tibor Kempf

Zur Person

Prof. Dr. Tibor Kempf arbeitet als Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Intensivmedizin am Klinikum Braunschweig, zuvor war er ebenfalls in leitender Position an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig. Neben seinem Schwerpunkt interventionelle Therapie bei strukturellen Herzerkrankungen ist er spezialisiert auf die Behandlung von Herzschwäche. Er hat bereits 2018 das Herzinsuffizienz-Netzwerk Niedersachsen gegründet und forscht auch zu Eisenmangel bei Herzschwäche.

Warum ist ein Eisenmangel kritisch?

Die Menschen verbinden mit Eisen rote Blutkörperchen. Das ist richtig, da ist viel Eisen drin. Letztlich benötigt aber jede Zelle des Körpers Eisen, von der Nervenzelle bis zur Hautzelle, insbesondere für den Energiestoffwechsel in den Mitochondrien, in den kleinen Kraftwerken der Zelle.

Wie stark sind Erkrankte mit Herzinsuffizienz von Eisenmangel betroffen?

Im Mittel haben geschätzt fünf bis zehn Prozent der Menschen Eisenmangel, bei Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz sind es hingegen 30 bis 50 Prozent. Einen Mangel kann man aber nur feststellen, indem man Blut abnimmt und spezifische Werte ermittelt.

Warum diese hohe Prozentzahl?

Es kommen mehrere Dinge zusammen: Bei den Betroffenen staut sich das Blut vor dem Herzen und im Darm, deshalb ist der Darm etwas träge und kann das Eisen nicht so gut aufnehmen. Herzinsuffizienz-Erkrankte bekommen oftmals blutverdünnende Medikamente: Dadurch kommt es zu Mikroblutungen, das bedeutet Eisenverlust. Ein weiterer Grund ist, dass Herzinsuffizienz eine chronische entzündliche Erkrankung ist. Dies führt dazu, dass das Eisen im Darm schlechter aufgenommen wird und dass das Eisen aus den körpereigenen Speichern nicht freigesetzt werden kann.

Welche Folgen hat das?

Das Eisen steht nicht für die Blutbildung, nicht für das Herz und die Skelettmuskeln zur Verfügung. Menschen mit Herzinsuffizienz sind per se in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt, werden schnell kurzatmig. Wer also eine Herzschwäche hat und außerdem Eisenmangel, bei dem sind diese Symptome noch ausgeprägter und sie oder er kommt häufiger ins Krankenhaus. Auch die Lebenszeit ­verkürzt sich.

Was raten Sie?

Man sollte bei Herzschwäche überprüfen, ob ein Eisenmangel vorliegt. Das ist klare Vorgabe in den Leitlinien der Deutschen und der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie. Nach der Erstdiagnose sollte ein- bis zweimal im Jahr der Eisenstatus kontrolliert werden. Denn wir wissen, dass es den Menschen besser geht, wenn der Eisenmangel ausgeglichen wird. Wer ambulant versorgt wird mit seiner Diagnose Herzinsuffizienz, sollte beim jährlichen Check-up ansprechen, ob auch der Eisenstatus getestet wird. Bei Herzschwäche liegen die Grenzwerte übrigens in einem anderen Bereich als bei sonst ­gesunden Personen.

Gibt es Betroffene, die möglicherweise durchs Raster fallen?

Registerdaten zeigen, dass leider nur in 20 bis 30 Prozent der Fälle der Eisenstatus kontrolliert wird.

Der Laie mag denken, dass er dies durch bewusste Ernährung ausgleichen kann.

Einen schweren Mangelzustand kann man so nicht beheben, schon gar nicht, wenn jemand an Herzinsuffizienz leidet. Eisen in Tablettenform wiederum kann von den Patientinnen und Patienten nicht genügend resorbiert werden.

Was ist die Alternative?

Die Leitlinien besagen, dass bei Herzschwäche und Eisenmangel die Patientinnen und Patienten intravenös mit Eisen versorgt werden sollen. Moderne Präparate sind wesentlich verträglicher als frühere Medikamente: Eine intravenöse Gabe erlaubt, eine relativ große Eisenmenge innerhalb kurzer Zeit zu verabreichen. Die positiven Effekte sind binnen weniger Tage spürbar. Meistens ist eine Infusion ausreichend, um den kompletten Mangel auszugleichen. Das sollte man nach etwa sechs Monaten kontrollieren.

Wo bekommt man eine Infusion?

Hier am Klinikum werden alle stationär aufgenommenen Personen auf Eisenmangel untersucht und bei Bedarf mit einer entsprechenden Infusion versorgt. Im niedergelassenen Bereich ist dies wahrscheinlich am ehesten in Hausarztpraxen möglich.

Der Effekt ist auch messbar?

Ja, mit einem Gehtest, bei dem man feststellt, wie viel Wegstrecke geschafft wird. Bei Befragungen stellt sich heraus, dass nach der Eiseninfusion Herzkranke über eine bessere Lebensqualität berichten, sie fühlen sich fitter. Eine aktuelle Metaanalyse hat außerdem ergeben, dass damit einer von fünf Krankenhausaufenthalten wegen Herzschwäche vermieden werden kann. Der Vorteil einer Infusion ist außerdem, dass der Mangel auf längere Zeit behoben ist.

Und doch gibt es Hoffnung, dass ein relativ neues Medikament als Kapsel zum Einnehmen ausreichen könnte, weil es anders zusammengesetzt ist als Vorgängereisenprodukte. Wie ist das Klinikum involviert?

Wir publizieren dazu ganz aktuell im „European Journal of Heart Failure“, einem sehr renommierten Fachmagazin. In dem Beitrag ist auch das Klinikum Braunschweig erwähnt. In einer bisher kleinen Studie haben meine Teammitglieder und ich herausgefunden, dass dieses Mittel besser bioverfügbar ist als bisherige orale Darreichungen. Es wird recht gut vertragen. Menschen mit Herzschwäche und schwerem Eisenmangel konnten damit erfolgreich therapiert werden. Die Werte haben sich während der Behandlungsdauer von 16 Wochen zunehmend gebessert.

Prof. Dr. Tibor Kempf

Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Intensivmedizin am Klinikum Braunschweig

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