OP minimalinvasives Verfahren

MIDCAB

Drei Bypässe minimalinvasiv in einer OP

Anfangs wurde bei der minimalinvasiver Bypass-OP nur ein verengtes Herzkranzgefäß überbrückt. Midcab ist Innovativ: Dieses schonende Verfahren wenden Operateure des Klinikums Braunschweig bei sogar drei verengten Koronararterien an.

Text: Prem Lata Gupta
Fotos: Nick Neufeld
Illustrationen: Lars Heppner/MMA

Das minimalinvasive Verfahren, bei dem bis zu drei Bypässe geschaffen werden, erfordert viel Fachkenntnis.

Was ist daran besonders? Worin besteht der Fortschritt?
Welche Patientinnen und Patienten profitieren von der Kompetenz der Herzchirurgie am Klinikum Braunschweig? Grundsätzlich zählt die Bypass-OP in den Industrienationen zu den häufigsten operativen Herzeingriffen. 70 000-mal pro Jahr wird dieser Eingriff allein in Deutschland vorgenommen. Grund sind durch Atherosklerose verengte oder verschlossene Herzkranzgefäße.

Mit einem Bypass oder auch mehreren wird ein Umgehungskreislauf geschaffen, um die ausreichende Durchblutung des Herzens wieder zu sichern. Waren mehrere Bypässe nötig, wurde früher immer das Brustbein geöffnet und eine Herz-­Lungen-­Maschine eingesetzt. Das ist ein massiver Eingriff, je nach Krankheitsbild jedoch bis heute unverzichtbar.

Dr. Khaldoun Ali, Oberarzt an der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (HTG) am Klinikum, beschreibt eine neue Entwicklung bei Herzoperationen: „Weltweit arbeitet die Ärzteschaft darauf hin, möglichst schonend vorzugehen und möglichst nicht mehr das Brustbein zu öffnen – bei Herzklappenoperationen und eben auch bei Bypass-­Eingriffen.“

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Dr. Marcel Anssar und Dr. Khaldoun Ali

Dr. Marcel Anssar und Dr. Khaldoun Ali (rechts) erörtern, welche OP-Methode sich am besten eignet.

MIDCAB-OP: Herzchirurgie auf neuem Level

Die sogenannte MIDCAB-OP (Minimally Invasive Direct Coronary Artery Bypass Operation) erfordert lediglich einen Schnitt von sechs bis acht Zentimetern auf der linken Brustseite. „Es ist schon seit einiger Zeit üblich, zwischen den Rippen hindurch einen einzelnen Bypass herzustellen. Anspruchsvoller ist es, in diesem schonenderen Verfahren gleich mehrere Überbrückungen zu realisieren“, erläutert Dr. Marcel Anssar, Leitender Oberarzt und Bereichsleiter der Herzchirurgie an der HTG-Klinik des Klinikums Braunschweig. Und Oberarzt Dr. Daniel Gheorghe Androne, ebenfalls Mitglied im Herzteam, ergänzt: „Auf diese Weise mehrere Bypässe herzustellen, und das ohne Herz-Lungen-Maschine, wird längst nicht an jedem Haus und auch nicht in jedem Universitätsklinikum praktiziert.“ Neben Dr. Anssar beherrscht auch Oberarzt Dr. Khaldoun Ali dieses Multi-Vessel-MIDCAB-­Verfahren. „Was eine schonende Behandlung angeht, erlebt die Herzchirurgie ein neues Level“, sagt er. Die Fachleute betonen, dass nicht jede oder jeder Erkrankte für diese OP-Methode geeignet ist. Denn sie funktioniert nur, wenn Gefäße vorn und seitlich am Herzen geschädigt sind. Die hintere Herzwand beispielsweise lässt sich so nicht erreichen.

Deshalb setzt das Herzteam, zu dem auch die Klinik für Kardiologie gehört, teilweise auf ein hybrides Behandlungskonzept für Menschen mit koronarer Herzkrankheit. Diese ist ursächlich für verengte oder verschlossene Herzkranzgefäße (siehe Infokasten auf Seite 7). Hybrid bedeutet hierbei, zusätzlich zur minimalinvasiven Bypass-OP noch weitere Gefäße mit jeweils einem Stent zu versorgen. Dieser wird über einen Katheter von der Leiste aus an die verengte Stelle vorgeschoben, dehnt diesen Bereich wieder und stabilisiert ihn.

Herkömmliche Bypass-OP mit Eröffnung Brustbein im Vergleich zur minimalinvasiven MIDCAB-OP

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Bypass: 92-Jähriger erfolgreich operiert

Dr. Marcel Anssar muss häufig gleich mehrere Bypässe minimalinvasiv anlegen, mit denen die geschädigten Gefäße umgangen werden. Dafür stellt der Herzchirurg aus Arterien- und manchmal auch Venenmaterial der Patientin oder des Patienten Y- oder T-förmige Verbindungen mit entsprechend mehr „Andockmöglichkeiten“ her.

Der Bereichsleiter der Herzchirurgie hat mit diesem Verfahren sogar einen 92-Jährigen erfolgreich operiert. Schlagadern aus dem Brustkorb und eine Arterie aus dem Arm eignen sich besonders gut als Überbrückungen, aber auch Beinvenen kommen zum Einsatz. Dies ist identisch zur klassischen Bypass-Operation mit nachgewiesen exzellenten Langzeitergebnissen. Als Material dienen ausschließlich körpereigene Gefäße. „Arterien sind belastbarer und bleiben länger durchlässig als Venen“, erklärt sein Kollege Dr. Androne. Die Haltbarkeit der körpereigenen Bypässe spielt insbesondere für jüngere Patientinnen und Patienten eine wesentliche Rolle. Denn für sie soll nicht nur Lebensqualität, sondern auch Lebenszeit gewonnen werden. Sie sind darauf angewiesen, dass die Bypässe so lange wie möglich ihren Dienst tun. Studien belegen, dass jüngere Erkrankte eine offene Operation besser als alte Menschen überstehen. Die Erfolgsrate der MIDCAB-Methode steht jedoch der einer konventionellen OP nicht nach. Und für ältere Patientinnen und Patienten, bei denen eine alleinige Stentimplantation nicht möglich ist, ist das schonende Verfahren wesentlich vorteilhafter. In enger Kooperation mit einem Medizintechnikhersteller haben die Experten des Klinikums Braunschweig ein besonderes Instrument entwickelt, um Schmerzen im Brustbereich nach der OP deutlich zu reduzieren. „Wir spreizen die Rippen nicht mehr, sondern heben sie lediglich an. So erreichen wir ebenfalls das Operationsfeld“, erläutert Dr. Marcel Anssar.

Dr. Khaldoun Ali

Dr. Khaldoun Ali

Oberarzt in der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie

Daniel Gheorghe Androne und Dr. Marcel Anssar Vorbefunde

Dr. Daniel Gheorghe Androne (links) und Dr. Marcel Anssar sehen sich Vorbefunde an.

Dr. Marcel Anssar

Dr. Marcel Anssar

Leitender Oberarzt und Bereichsleitung Herzchirurgie

Nahezu alle Fachrichtungen in einem Haus

Die beiden versierten Herzchirurgen Dr. Marcel Anssar und Dr. Khaldoun Ali sind überzeugt von diesem Verfahren und nennen wesentliche Merkmale und Vorteile der MIDCAB-­Methode:

  • für jüngere und vor allem auch alte Erkrankte geeignet
  • keine Öffnung des Brustbeins
  • Klinikentlassung schon nach fünf bis sechs Tagen
  • geringere körperliche Belastung
  • geeignet bei mehreren geschädigten Gefäßen
  • weniger Blutungen während und nach der OP
  • kein Einsatz der Herz-Lungen-Maschine
  • Schlaganfallrisiko während der OP geht gegen null
  • relativ kleine OP-Narbe an der Körperseite, die rasch verheilt

MIDCAB in Kombination mit einer Stentversorgung im Herzkatheterlabor bedeutet als hybride Therapie „keinen Kompromiss, sondern das Beste aus beiden Welten“, unterstreicht Dr. Marcel Anssar. Und weil am Klinikum Braunschweig inzwischen auch Patientinnen und Patienten mit Mehrgefäßerkrankungen minimalinvasiv operiert werden, „können wir viel mehr Menschen als früher so schonend und mit guten Langzeitergebnissen behandeln“.

Ausgezeichnete Operateure

Es ist eine Anerkennung, die die besonders gute Versorgungssicherheit in Stadt und Region würdigt: Laut der aktuellen Stern-Klinikliste 2025/2026 gehört die Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Klinikums Braunschweig zu den besten in Deutschland. Begründet wird die Auszeichnung mit der hohen medizinischen Qualität und der konsequenten Weiterentwicklung innovativer Behandlungsmethoden. Lob gab es besonders für die kathetergestützten Klappenimplantationen: Dabei arbeitet am Klinikum ein interdisziplinär besetztes Herzteam aus Fachleuten der Herzchirurgie und der Kardiologie zusammen. Im Gesamtranking erreichte das Klinikum von mehr als 2400 bewerteten Krankenhäusern den Platz 52. Damit gehört es bundesweit zu den besten zwei Prozent. Die Stern-Klinikliste ergibt sich aus einer umfangreichen Analyse in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Rechercheinstitut MINQ. Kriterien für das Endergebnis sind unter anderem medizinische Reputation, Qualitätsberichte, Hygienestandards sowie positive Rückmeldungen aus Patientenportalen.

Zu wenig Sauerstoff macht das Herz krank

Wer Bypässe benötigt, leidet an einer schweren Form der koronaren Herzkrankheit (KHK). Sie gehört zu den häufigsten Herzerkrankungen. Bei den Betroffenen sind die Koronararterien verengt: Grund dafür sind Ablagerungen (Plaques), die aus Bindegewebe, Kalk und Fett bestehen und die Durchblutung vermindern. Weil aber die Funktion dieser Blutgefäße elementar ist – sie versorgen das Herz mit Sauerstoff –, droht im schlimmsten Fall ein Herzinfarkt. Als kritischer Wert für eine Minderdurchblutung gilt eine Einengung der Herzkranzgefäße von mehr als 70 Prozent des Gefäßdurchmessers.

Fachleute bezeichnen die beschriebene Durchblutungsstörung als Atherosklerose. Sie entsteht häufig durch Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhte Cholesterinwerte. Als Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit gelten familiäre Vorbelastung, starkes Übergewicht, Nikotinkonsum, Bewegungsmangel und Stress. Nicht alle Menschen mit koronarer Herzkrankheit spüren etwas davon. Doch ganz typische Symptome für die unzureichende Sauerstoffversorgung sind ein Engegefühl oder Schmerzen in der Brust. Die Schmerzen können in den linken Arm, den Nacken oder den Rücken ausstrahlen, sogar bis in den Kiefer oder den Oberbauch. Weitere mögliche Symptome sind ein Brennen hinter dem Brustbein, Schweißausbrüche oder auch Angstgefühle. Um Gefäßverengungen und eine unzureichende Durchblutung des Herzens festzustellen, bedarf es genauer Diagnostik, dazu zählen beispielsweise ein Belastungs-EKG, ein Ultraschall vom Herzen oder auch Herzkatheteruntersuchungen.

Behandelt wird die koronare Herzkrankheit mit Medikamenten. Starke Verengungen können manchmal mit einem Kathetereingriff behoben werden, indem man die betroffenen Gefäße mit einem winzigen Ballon erweitert. In den meisten Fällen werden daraufhin Stents implantiert, um Gefäße offen zu halten. Mit Bypass-Operationen dagegen lassen sich verschlossene Arterienabschnitte überbrücken.

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