Nebenwirkungen von Ozempic
Weniger Risiko für Infarkt, Schlaganfall und Niereninsuffizienz: Die sogenannte Abnehmspritze Ozempic ist auch eine vielversprechende Therapieoption in der Nephrologie und der Kardiologie.
Text: Susanna Bauch
Fotos: Björn Petersen, Kevin Galasso

Zur Person
Prof. Dr. Jan T. Kielstein (im Bild links), in Zwickau geboren, studierte Humanmedizin in Magdeburg und an der Pritzker Medical School der Universität von Chicago. Prof. Dr. Kielstein war bis 2015 Oberarzt des Zentrums für Innere Medizin und als Leitender Oberarzt der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen der Medizinischen Hochschule Hannover tätig. Anschließend übernahm er die Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen des Klinikums Braunschweig.
Prof. Dr. Tibor Kempf (im Bild rechts) stammt aus Marburg und hat in Rostock und Mainz Humanmedizin studiert. Ab 2001 war er an der Medizinischen Hochschule Hannover in der Klinik für Kardiologie und Angiologie tätig, lange als Leitender Oberarzt sowie Leiter der Abteilung Herzkatheterlabore und Interventionelle Therapie struktureller Herzerkrankungen. Seit Oktober 2024 ist Prof. Dr. Kempf Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Intensivmedizin am Klinikum Braunschweig.
Was bewirken die Stoffe im Medikament Ozempic?
Prof. Dr. Jan T. Kielstein: Die Substanzgruppe der sogenannten Glucagon-like Peptid-1-Rezeptor-Agonisten ist eine Revolution in der Medizin. In der Natur kommt Exenatid im Speichel einer Krustenechse vor: Es entspricht chemisch weitgehend dem menschlichen Hormon GLP-1. Es wird nach der Nahrungsaufnahme freigesetzt und dient beim Menschen der Kontrolle des Blutzuckerspiegels, indem es die Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse stimuliert. Als Medikament wird der Wirkstoff eingesetzt, um den Blutzucker zu senken und die Beweglichkeit des Magen-Darm-Traktes zu beeinflussen. Die Magenentleerung wird verzögert, das Sättigungsgefühl erhöht, was je nach Dosis zu einer schnellen Gewichtsabnahme führt.
Prof. Dr. Tibor Kempf: Wir beobachten, dass starkes Übergewicht mit einem Body-MassIndex über 30 oft einhergeht mit Diabetes Typ 2. Sowohl Adipositas als auch Diabetes gelten als zentrale Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Gewichtsabnahme mit Unterstützung von Semaglutid bedeutet daher auch meistens, dass die Herzschwäche sich verbessert. Patienten und Patientinnen kommen nicht so schnell außer Atem, sie sind leistungsfähiger.
Welche weiteren positiven Nebenwirkungen hat die Spritze auf andere Organe?
Prof. Dr. Tibor Kempf: Die Effekte von Ozempic gehen weit über die positiven Begleiterscheinungen einer Gewichtsabnahme hinaus. Die Entzündungsmarker im Blut reduzieren sich dramatisch unter der Einnahme, sie unterstützt eine Entwässerung und Blutfette sowie Blutdruckwerte sinken. Wir sehen auch bessere Messwerte bei der Herzfunktion – Schlaganfälle und Herzinfarkte verringern sich um rund 20 Prozent bei Betroffenen ohne Diabetes.
Prof. Dr. Jan T. Kielstein: Studien haben gezeigt, dass die Gabe die Verschlechterung einer Nierenfunktion aufhalten kann. Auch bei der Leberverfettung führte Ozempic zu einer Verbesserung der Leberwerte und der Leberelastizität. Ebenfalls positive Auswirkungen hat das Präparat auf die sogenannte obstruktive Schlafapnoe. Bislang werden Patientinnen und Patienten mit Atemaussetzern im Schlaf an ein Gerät mit Maske angeschlossen, das durch einen Luftstrom das Zusammenfallen der Atemwege verhindert. Mit den Wirkstoffen des Diabetesmedikaments werden die Aussetzer nachhaltig reduziert – auch bei Nichtdiabetikern.
Ist Ozempic also ein omnipotentes Wundermittel?
Prof. Dr. Jan T. Kielstein: Es sollte kein Lifestyle-Medikament sein. Schließlich muss man es für dauerhafte Effekte auch dauerhaft nehmen. Bislang besteht erst die Zulassung als Diabetesmittel und für die Anwendung bei Adipositas. Gewichtsabnahme führt naturgemäß oft grundsätzlich zu einer Verbesserung vieler körperlicher Faktoren. Neben Organen werden auch Gelenke entlastet. Negative Nebenwirkungen von Ozempic sind etwa Bauchspeicheldrüsenentzündungen oder Übelkeit. Erwünscht sind sicherlich der reduzierte Konsum von Alkohol, Nikotin und Cannabis, der unter Gabe von Ozempic beobachtet wurde.
Prof. Dr. Tibor Kempf: Die Studien zu den Möglichkeiten der Wirkstoffe stimmen zuversichtlich. Wir fangen bei der Gabe mit einer niedrigen Dosis an, die langsam gesteigert wird. Ob man das Präparat nach einer gewissen Zeit auch einmal absetzen und die Entwicklung beobachten kann, müssen wir sehen.
Ist eine Zulassung auch für die Behandlung von Herz- und Niereninsuffizienz ein Gamechanger?
Prof. Dr. Tibor Kempf: Ich gehe davon aus, dass die Wirkstoffe bald Eingang in die Therapie von Herzschwäche und koronarer Herzerkrankung haben werden, auch in der Vorsorge. Die Effekte für Herz und Nieren sind in allen Studien als günstig beschrieben. Das Herz wird entlastet und geschützt, Todesfälle können reduziert werden. Ich sehe eine vielversprechende Therapieoption.
Prof. Dr. Jan T. Kielstein: Noch gibt es diese Zulassung für andere Therapien nicht, aber wir sind zuversichtlich. In jedem Fall aber sollte Ozempic von Fachärztinnen und -ärzten verschrieben werden, Patientinnen und Patienten müssen von diesen zudem gut begleitet werden. Spezielle Teams im ambulanten sowie im stationären Bereich müssen sich mit der Frage beschäftigen, wer dieses Medikament bekommt. Die Spritze sollte auch für Adipositasbetroffene nicht automatisch verordnet werden, gesunde Ernährung und Bewegung bleiben wichtig. Schließlich muss man die Spritze dauerhaft nehmen – mit noch unbekannten Langzeitfolgen.
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