Etwa 30 Plätze auf den Hartschalenstühlen im Wartebereich sind besetzt. Ein junger Mann balanciert ein dickes Kühlpäckchen auf seinem nackten, stark geschwollenen Fuß. Noch im vergangenen Jahr hätte ihn sein Weg in die unfallchirurgische Notaufnahme des Klinikums Braunschweig an der Holwedestraße geführt. Doch dieser Standort ist geschlossen. Am 11. Dezember 2024 erfolgte der Umzug der Unfallchirurgie, in der auch HNO-Notfälle behandelt werden sowie die plastische, ästhetische und Handchirurgie vertreten sind, an den Standort Fichtengrund, so der neue Name, vormals Salzdahlumer Straße. Dort wurden und werden internistische, neurologische, urologische, allgemeinchirurgische, neurochirurgische sowie herzchirurgische Notfälle behandelt.
Notfallzentrum: Jetzt 37 Behandlungsplätze
Die lange geplante Zusammenlegung beider Notaufnahmen bedeutet, dass es nun eine zentrale Anlaufstelle am Klinikum Braunschweig gibt: bei Sportunfällen, Stürzen, nach einem Autounfall mit Verletzten, bei heftigen ungeklärten Leibschmerzen, bei Verdacht auf Schlaganfall oder Herzinfarkt. Das hat Um- und Neubaumaßnahmen erfordert. Das INZ hat nun 1524 Quadratmeter Fläche, vorher waren es knapp 900. 37 Behandlungsplätze stehen zur Verfügung. Vorgelagert sind Räume der Kassenärztlichen Vereinigung, die sich vorher in einem anderen Teil des Gebäudes befanden.
Wer dort an einem Mittwoch- oder Freitagnachmittag, am Wochenende und an Feiertagen Dienst tut, kümmert sich um weniger schwerwiegende Notfälle, die sonst auch von niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen versorgt werden könnten. Es ist eine Maßnahme, die für eine Entlastung des INZ und des dort eingesetzten Personals sorgen soll. Eine weitere Verbesserung: Das Notfallzentrum verfügt nach der Umbauphase über ein eigenes CT. Zwei Schockräume wurden neu ausgestattet (siehe Kasten).

Nach den Umbaumaßnahmen verfügt das Notfallzentrum über einen deutlich vergrößerten Wartebereich.
Rettungshubschrauber landet auf dem Dach
Als Fachdisziplinen sind Innere Medizin, Neurologie und Unfallchirurgie in der Notaufnahme vertreten. Ärztinnen und Ärzte anderer Fachrichtungen können auf schnellstem Weg hinzugezogen werden – aus der Allgemeinchirurgie, der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, der Neurochirurgie, der Urologie, der Radiologie und der Anästhesie. Der Ärzteschaft der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde steht in der Notaufnahme ein Behandlungsraum mit speziellem HNO-Equipment zur Verfügung. Auch für die Diagnostik und die Behandlung von Augennotfällen gibt es spezielles Instrumentarium in der Notfallaufnahme. „Ohne Interdisziplinarität geht es nicht in einem Notfallzentrum“, unterstreicht Dr. Ulrike Cretan. Die Leitende Oberärztin der Inneren Medizin im INZ deckt mit ihrer Person gleich mehrere Kompetenzfelder ab: Sie ist Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie, Notfall- und Rettungsmedizin. Dem INZ stehen etwa 35 Vollzeit-Kostenstellen für die hier tätige Ärzteschaft sowie 66 Vollzeit-Kostenstellen für die Pflege zu, dazu kommen ärztliche Assistenz und medizinische Fachangestellte. Gemeinsam versorgen sie jährlich rund 56 000 Patientinnen und Patienten. Im ersten Quartal 2025 waren es durchschnittlich 150 pro Tag.
Etwa die Hälfte von ihnen, manchmal ein noch höherer Anteil, wird vom Rettungsdienst eingeliefert. Bedingt durch den Zusammenschluss der Notaufnahmen landen viel öfter Rettungshubschrauber auf dem Dach. „An ruhigen Tagen passiert das einmal, an anderen Tagen kann es bis zu fünfmal geschehen“, sagt Dr. Stephan Höft, der zusammen mit Dr. Stephanie Matis die kommissarische Leitung des INZ innehat. Die Hubschrauber, die Akuteinsätze fliegen, sind in Wolfenbüttel, Hannover und Uelzen stationiert. Ihr Versorgungsradius beträgt jeweils 50 Kilometer. Dazu kommen Verlegungen aus anderen Kliniken, ebenfalls per Hubschrauber.
„Notaufnahme ist Teamarbeit“
Das hohe Patientenaufkommen sowie der Bedarf nach intensivmedizinischer Versorgung erfordern eine enge Kooperation innerhalb der Ärzteschaft und der Pflege. „Notaufnahme ist Teamarbeit“, betont Prof. Dr. Thomas Gösling, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Weil die Aufgabenstellungen in der internistischen Notfallmedizin und der Unfallchirurgie unterschiedlich sind, hatten Pflegekräfte bereits vor dem Umzug die Möglichkeit, im jeweils anderen Fachbereich die Routinen kennenzulernen.
Ziel ist es, innerhalb der ersten zehn Minuten nach Ankunft eine Ersteinschätzung durch dafür geschulte Pflegefachkräfte vorzunehmen. Das ESI-Prinzip (Emergency Severity Index) kennt fünf Stufen, mit denen die Dringlichkeit eingeschätzt wird. Rot steht für Lebensgefahr und erfordert eine sofortige Behandlung.
Die Kategorie Orange bedeutet, dass sich der Zustand sehr schnell verschlechtern kann, auch hier ist schnelles Eingreifen binnen weniger Minuten erforderlich. Es folgen die gelbe und die grüne Stufe. Am wenigsten gefährdet sind Hilfe suchende Menschen, die in die blaue Stufe einsortiert werden. Diese Farbe bedeutet: keine Lebensgefahr, keine größere Diagnostik notwendig. Kann warten, gegebenenfalls auch mehrere Stunden.
Nur ein Drittel aller Notfälle wird stationär aufgenommen. Auch das kann dauern: „In der unfallchirurgischen Welt ist die Diagnose eher offensichtlich, entsprechend schnell lässt sich handeln“, erläutert Prof. Dr. Gösling. Im internistischen Bereich dauert die Diagnostik indes häufig länger. Dr. Stephan Höft erklärt: „Wenn wir Symptomen auf den Grund gehen, erfordert das mehr Zeit.“
Schockraum von innen
Hier werden Personen behandelt, die lebensgefährlich erkrankt oder verletzt sind. Fast immer ist es notwendig, einen Venenzugang zu legen, um Medikamente etwa zur Kreislaufstabilisierung per Infusion zu verabreichen. Zur Ausstattung des Schockraums im Notfallzentrum gehören verschiedene Beatmungsgeräte, Material zur akuten Wundversorgung, auch Instrumente für eine sofortige Notfalloperation. Dazu kommen Geräte, die von außen die Thoraxkompression im Fall einer Herz-Lungen-Wiederbelebung übernehmen können. Ein Röntgenapparat und Sonografiegeräte sind ebenfalls vorhanden, mithilfe des Computertomografen direkt nebenan lassen sich Verdachtsdiagnosen mit radiologischer Schnittbildgebung ergänzen. Handelt es sich beispielsweise um einen Schlaganfall, beginnt eine Lysetherapie noch im Schockraum, um das lebensbedrohliche Blutgerinnsel aufzulösen.
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ESI
Das ESI-Triagesystem (Emergency Severity Index = Notfall-Dringlichkeits-Index), das am Klinikum Braunschweig angewandt wird, ist Ende der 1990er-Jahre von der Harvard Medical School in Boston/USA als fünfstufiger Algorithmus entwickelt und wissenschaftlich validiert worden.
Es sieht folgende Einteilung vor:
Rot: Akute Lebensgefahr
Sofortige Behandlung durch einen Notfallmediziner bzw. ein spezialisiertes Team im Notfallzentrum.
Orange: Sehr dringend
Hochrisikopatient/in, Veränderung wichtiger Lebensfunktionen, starke Schmerzen, Verwirrtheit, Behandlung innerhalb von zehn Minuten nötig.
Gelb: Dringend
Es braucht mehr als drei diagnostische oder therapeutische Maßnahmen, um die Patientin/den Patienten zu behandeln. Zeitfenster: 30 Minuten.
Grün: Normal
Erfordert eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme innerhalb von 90 Minuten.
Blau: Nicht dringend
Keine Ressourcen zur Diagnostik wie Röntgen, CT oder Laboruntersuchungen erforderlich. Wartezeit von zwei Stunden kann eingeplant werden.
Rot: Akute Lebensgefahr
Sofortige Behandlung durch einen Notfallmediziner bzw. ein spezialisiertes Team im Notfallzentrum.
Gelb: Dringend
Es braucht mehr als drei diagnostische oder therapeutische Maßnahmen, um die Patientin/den Patienten zu behandeln. Zeitfenster: 30 Minuten.
Orange: Sehr dringend
Hochrisikopatient/in, Veränderung wichtiger Lebensfunktionen, starke Schmerzen, Verwirrtheit, Behandlung innerhalb von zehn Minuten nötig.
Grün: Normal
Erfordert eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme innerhalb von 90 Minuten.
Blau: Nicht dringend
Keine Ressourcen zur Diagnostik wie Röntgen, CT oder Laboruntersuchungen erforderlich. Wartezeit von zwei Stunden kann eingeplant werden.
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