Risikoschwangerschaft
Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck: Werdende Mütter mit gesundheitlichen Risiken können sich im Perinatalzentrum Level 1 des Klinikums Braunschweig auf engmaschige Kontrollen und eine individuelle Betreuung verlassen.
Autorin: Susanna Bauch
Fotos: Anna Tomelleri
Eine komplikationslose Schwangerschaft, eine Geburt ohne Zwischenfälle und ein gesundes Baby – diesen Verlauf wünschen sich alle werdenden Eltern. In vielen Fällen läuft das auch genau so ab, allerdings wird statistisch jede dritte Frau (34,9 Prozent) als Risikoschwangerschaft geführt. Der Gemeinsame Bundesausschuss als höchstes Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen definiert zudem 52 Faktoren für Risikoschwangerschaften, bei denen aufgrund der Vorgeschichte oder aktueller Befunde mit einem erhöhten Risiko für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind zu rechnen ist.
„Alter, Übergewicht und vor allem Vorerkrankungen wie Thrombosen, Bluthochdruck, Gerinnungsstörungen, Nieren- und Herzerkrankungen und Mehrlingsschwangerschaften sowie künstliche Befruchtung der Mutter bedeuten ein Risiko für eine Schwangerschaft“, erläutert PD Dr. Heiko Franz, Chefarzt der Klinik für Geburtshilfe im Klinikum Braunschweig. Wobei der Mediziner die Altersgrenze von 35 Jahren aufgeweicht sieht. „Das Alter der Mütter bei der ersten Geburt hat sich nach hinten verschoben und ist per se kein wesentliches Risiko.“
Dr. Jost Wigand Richter
Leitender Arzt der Klinik für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin
Mehr Kontrollen als sonst üblich
Es können auch Komplikationen während der neun Monate wie Blutungen, Schwangerschaftsdiabetes, Eisenmangel, ein zu großes oder zu kleines Baby, ungünstige Lage, vorzeitige Wehen oder Muttermundschwäche auftreten. „Ein besonderes Risiko stellt die Präeklampsie, die sogenannte Schwangerschaftsvergiftung mit Bluthochdruck und Eiweißausscheidung über die Niere, dar“, so der Mediziner. Daher müsse auch der Blutdruck im Auge behalten werden. Eine Präeklampsie sei immer kritisch und gefährde Mutter und Kind. In der schweren Form erhöht sie die Krampfbereitschaft der Mutter und kann zu Hirnblutungen und zum Tod von Mutter und Kind führen.
Wichtig bei einer definierten Risikoschwangerschaft sind spezifische und häufigere Kontrollen sowie für Vorbereitung und Entbindung ein sogenanntes Level-1-Zentrum. „Das Klinikum Braunschweig hat ein leistungsfähiges Perinatalzentrum: Es ermöglicht eine Versorgung von Früh- und Neugeborenen aller Reifegrade“, betont Dr. Jost Wigand Richter, Leitender Arzt der Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin.
Bei Risikoschwangerschaften sind die vorgeschriebenen Schwangerschaftsvorsorgeintervalle deutlich verkürzt. „Viele Untersuchungen wie Doppler-Sonografien, Kontrolle des fetalen Wachstums oder Wehenschreiben übernimmt auch der niedergelassene Bereich. Je nach Ursachen der definierten Risiken wird der Vorsorgebedarf individuell festgelegt“, so PD Dr. Franz. Dazu zähle auch die erweiterte sonografische Pränataldiagnostik.
„Wir begleiten die Eltern bereits vor der Geburt“
„Geburtsplanung beginnt am Klinikum mit einer Risikosprechstunde, die regelmäßig angeboten wird“, so Dr. Jost Wigand Richter. Die Mütter würden in der Vorsorge durch das geburtshilfliche und auch neonatologische Team betreut, „wir sind in der Neonatologie vor allem für die Versorgung des Kindes zuständig“. Dazu zählen neben der Sicherung der Vitalparameter von Früh- und Neugeborenen auch gemeinsam mit der Kinderchirurgie und -urologie des Klinikums die Behandlung von angeborenen Fehlbildungen. „Auch begleiten wir die Eltern bereits vor der Geburt, beraten sie über den zu erwartenden Verlauf sowie mögliche Komplikationen und das pflegerische Management. Trotz etwaiger Risiken sollen sie sich stets geborgen fühlen.“
Zu einem häufig erhöhten Risiko für Komplikationen unter der Geburt gehört beispielsweise auch ein mütterlicher Diabetes, sei er vorbestehend oder erst in der Schwangerschaft auftretend. „Bei Unterzuckerung der werdenden Mutter kann es auch zu Problemen des Kindes kommen“, erläutert Dr. Richter. Im Perinatalzentrum des Klinikums sei man für Komplikationen und frühe Intervention bestens aufgestellt, „zudem können wir hier die Trennung von Mutter und Kind vermeiden“. Grundsätzlich gelte: Die Geburt ist nicht das Problem, sondern die Erkrankung von Mutter oder Kind. „Eine Risikoschwangerschaft ist per se kein Grund zur Sorge, sondern Anlass zu einer besonderen Vorbereitung“, betont Dr. Richter.
PD Dr. Heiko Franz
Chefarzt der Klinik für Geburtshilfe
Zusätzliche Diagnostik für mehr Sicherheit
Bei einer Risikoschwangerschaft können zusätzliche Untersuchungen nötig sein. Sie haben mit der Vorgeschichte der Schwangeren sowie aktuellen Befunden von ungeborenem Kind und/oder seiner Mutter zu tun. Bei Risikoschwangerschaften kommen – je nach Fall – folgende weitere Untersuchungen zum Einsatz:
- Mehr Ultraschalluntersuchungen, bei Bedarf als 3D- oder 4D-Darstellung
- tokografische Untersuchungen bei Verdacht auf vorzeitige Wehentätigkeit
- kardiotokografische Untersuchungen, dabei werden Herztonableitung und Wehenschreibung kombiniert beobachtet
- eine Fruchtwasseruntersuchung (Amnioskopie), wenn ein Kind übertragen wird, also eine Spätschwangerschaft vorliegt
- Bei Hinweisen auf eine mögliche Trisomie, also Gendefekte:
- Nichtinvasiver Pränataltest (NIPT) durch Blutuntersuchung
- Entnahme von Gewebe aus der Plazenta (Chorionzottenbiopsie), ab 12. Schwangerschaftswoche
- Fruchtwasseruntersuchung (Amnionzentese), ab 16. Schwangerschaftswoche
Quelle: Mutterschafts-Richtlinie laut Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in der in der Fassung vom 21. September 2023
Level 1: Mehr Kompetenz im Perinatalzentrum
Eltern sollten bei einer Risikoschwangerschaft die Geburtsklinik unter dem Aspekt größtmöglicher Sicherheit und Vorsorge wählen. Das Klinikum Braunschweig verfügt über ein Perinatalzentrum Level 1 mit neonatologischer Intensivstation und 24-Stunden-Anwesenheit des pädiatrischen Notfallteams im Fall von Kaiserschnitt und Risikogeburt. Zur Mitbetreuung von Risikoschwangerschaften und zur Planung einer Risikogeburt oder eines Kaiserschnittes gibt es die sogenannte Risikosprechstunde. Empfohlen wird die Beratung in der 33./34. Woche für Zwillings- und Mehrlingsschwangerschaften, für die 36./37. Woche für alle Zweit- und Mehrgebärenden, bei denen es Probleme bei einer vorangegangenen Entbindung gab oder wenn ein anderes Schwangerschafts- oder Geburtsrisiko besteht wie Diabetes, Epilepsie, Bluthochdruck und Medikamenteneinnahme wegen chronischer Erkrankungen sowie bei einer Steißlage.
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