Arbeiten mit Parkinson

Stark im Team

Im Klinikum Braunschweig sind rund 200 Mitarbeitende mit einer körperlichen Beeinträchtigung oder Schwerbehinderung beschäftigt. Die medizinische Fachangestellte Sabine Born ist eine von ihnen. Sie hat Parkinson.

Text: Sabrina Mandel
Fotos: Nick Neufeld

Antje Pohle und Sabine Born (rechts)

Sabine Born (rechts) arbeitet trotz ihrer Parkinson­erkrankung weiter in der Radiologie. Antje Pohle, ordentliches Mitglied im Betriebsrat und in der Schwerbehindertenvertretung, hat sie dabei unterstützt.

Sabine Born an ihrem Arbeitsplatz: Sie bereitet sich auf die nächste Untersuchung in der Angiografie vor, wo mittels Kontrastmittel und Röntgenstrahlung Gefäßveränderungen wie Verengungen, Verschlüsse oder Aneurysmen dargestellt werden können. Als Assistentin trägt sie spezielle Arbeitskleidung: Sabine Born schlüpft routiniert in ihre Strahlenschutzschürze und greift nach den sterilen Handschuhen. Sie hält einen Moment inne. Ihre linke Hand zittert.

Die 50-Jährige stützt die bebende Hand mit der rechten und blickt hinüber zu ihrer Kollegin, die bereits am sterilen Tisch steht. Sabine Salié bemerkt die Verzögerung sofort. Sie nickt und übernimmt die direkte Assistenz bei der Angiografie, Sabine Born reicht sterile Instrumente an. Der Eingriff verläuft sicher und reibungslos.

Langer Weg bis zur Diagnose

Sabine Born leidet unter der Parkinson-Krankheit. „Ich arbeite seit 26 Jahren hier in der Radiologie“, erzählt sie. „Ich will so lange wie möglich beruflich aktiv bleiben.“ Die ersten Beschwerden bemerkte die medizinische Fachangestellte schon vor 15 Jahren. Sie erinnert sich: „Die Muskelkraft ließ nach und ich hatte diffuse Schmerzen. Wenn ich in den ersten Stock gelaufen bin, war ich so erschöpft und die Muskeln krampften, als sei ich im zehnten angekommen. Ich war zwar nie sonderlich sportlich, habe aber gedacht, dass irgendetwas nicht stimmen kann.“

Besuche bei Rheumatologen und anderen Fachärzten liefen ins Leere und brachten keine Erkenntnis. Sabine Born vermutete Begleiterscheinungen der Wechseljahre: „Ich versuchte, einfach durchzuhalten. Alles fiel mir schwer. Ich hatte das Gefühl, als ob ich durch Treibsand ginge. Und dann fing meine linke Seite an zu zittern. Das war der Punkt, an dem ich wusste: Etwas Einseitiges muss etwas Neurologisches sein.“

Ein sogenannter DaTSCAN beim Neurologen brachte die bittere Erkenntnis: Diagnose Parkinson – mit 49 Jahren. „Da stand meine Welt für einen Moment ganz still“, sagt Sabine Born. Es folgte eine Komplextherapie im Krankenhaus und die Suche nach den passenden Medikamenten. Denn Parkinson ist nie gleich Parkinson: Die neurodegenerative Erkrankung kann sich durch motorische Symptome wie Muskelsteifheit und Zittern, aber auch in nicht motorischen Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen oder Veränderungen der Mimik zeigen. Insgesamt geht man von 49 Symptomen in Verbindung mit Parkinson aus, die einzeln oder in verschiedenen Kombinationen auftreten können.

Sabine Born

Sabine Born

medizinische Fachangestellte

Sabine Born

Sabine Born hat ihr Stundenpensum von 100 auf 60 Prozent reduziert: So klappt es wieder prima im Job.

Zurück im Job

Sabine Born arbeitet weiter in der Radiologie, zwar nicht mehr in Vollzeit, aber zu 60 Prozent. Sie macht keinen Nachtdienst mehr und hat auch keine Rufbereitschaft. Unterstützt wurde sie nach ihrer Rückkehr von Antje Pohle, ordentliches Mitglied im Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung im Klinikum Braunschweig. „Frau Born bat mich im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, kurz BEM, um ein Gespräch“, erinnert sich Antje Pohle. Im Rahmen des BEM-­Gesprächs wurde geschaut, ob der Arbeitsplatz weiterhin geeignet ist, wie sich die persönliche Situation darstellt, was das bestehende Arbeitsverhältnis bislang beinhaltet und welche Maßnahmen das Klinikum ergreifen kann, um Sabine Born weiterhin zu beschäftigen.

Bei Sabine Born hat die Umstellung ihres Arbeitsverhältnisses auch dank der Hilfe von Antje Pohle gut geklappt. Wegen ihrer Funktionseinschränkungen hat sie einen Grad der Behinderung von 30 und ist nach Antrag bei der Agentur für Arbeit und der Bewilligung mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt, was beispielsweise einen besonderen Kündigungsschutz mit sich bringt. „Natürlich gibt es Tage, an denen mir manches schwerer fällt. Aber ich habe das große Glück, die weltbesten Kolleginnen und Kollegen an meiner Seite zu haben – sie helfen mir und sie machen es möglich, dass ich trotz meiner Einschränkungen meinen Platz im Team habe.“

Unterstützung auf ganzer Linie

Das Klinikum Braunschweig erfüllt die Vorgabe vom Gesetzgeber, mindestens fünf Prozent seiner Beschäftigten mit einem Grad der Behinderung zu beschäftigen. Dank eines engmaschigen Netzwerks von Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung, einer Gleichstellungsbeauftragten, einer Inklusionsbeauftragten, einem Väter-Beauftragten, der Sozialbetreuung und dem Institut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin werden jeder und jedem Beschäftigten mit Einschränkungen die bestmögliche Unterstützung und Hilfe geboten.

Grundlage für die Unterstützung im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) sind das Sozialgesetzbuch (SGB) IX und die Betriebsvereinbarungen zum BEM und zur Inklusion. Als externe Partner können der Integrationsfachdienst und das Integrationsamt zur Sicherung des Arbeitsplatzes hinzugezogen werden. Sie beraten Arbeitgeberin und Beschäftigte; und sie prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Beschäftigungssicherungszuschuss gegeben sind. Mit diesem Zuschuss soll die Grundlage einer leidensgerechten Beschäftigung geschaffen werden. Dafür ist auch die Unterstützung von Vorgesetzten und des Teams erforderlich. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, beispielsweise einen Arbeitscoach, einen Fahrdienst oder technische Hilfsmittel für Betroffene beim Integrationsamt zu beantragen.

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