Fit für die Hüft-OP

Training vor der OP

Auf Rat des Orthopäden Florian Brand: Im skbs Reha-Sportzentrum nutzt Jan Hendrik Döring das Programm Prehab vor seiner geplanten Hüftoperation.

Text: Susanna Bauch
Fotos: Nick Neufeld
Illustrationen: Lars Heppner/MMA

Jan Hendrik Döring trainiert

Jan Hendrik Döring trainiert, weil er nach der OP schnellstmöglich wieder fit sein will.

Jan Hendrik Döring kann wegen seiner Hüftschmerzen kaum noch schlafen. Lange Verhandlungstage im Sitzen werden für den Richter am Braunschweiger Landgericht zunehmend zu einer Belastung. Schmerzen in der linken Hüfte hat er schon ein paar Jahre, mittlerweile ist Arthrose diagnos­tiziert, die Hüfte rotiert nach außen und beeinträchtigt ihn jeden Tag. Eine Operation ist unausweichlich – zumal der 43-Jährige demnächst Elternzeit nimmt und seine zwei Töchter betreuen und versorgen möchte. Im derzeitigen Zustand schwer vorstellbar.

„Man schiebt das natürlich gern hinaus“, sagt Döring, der, um den Prozess zu verlangsamen, bereits vor knapp zwei Jahren begann, im skbs Reha-Sportzentrum seine Muskulatur und Ausdauer zu trainieren.

Physiotherapie, Stoßwellen, Osteopathie, alles hat er ausprobiert. Für den anstehenden Eingriff wird im Klinikum auf eine neue Trainingsmethodik gesetzt – ein sogenanntes Prehabilitationstraining, das bereits vor der OP dafür sorgen soll, dass der Patient danach möglichst schnell wieder auf die Beine kommt und dafür über ausreichend Kraftreserven verfügt. Prehab nennt sich das Verfahren abgekürzt unter Fachleuten. Dabei geht es nicht um großen Muskelzuwachs, sondern darum, dass die Muskeln überhaupt wieder angesteuert werden. Arthrose-Erkrankte etwa bewegen sich wegen ihrer starken Schmerzen in den Gelenken oft nicht mehr genug, es fehlt ihnen an Muskelkraft und -koordination. Genau hier setzt die Prehabilitation an.

Bei großen Schmerzen ist Handeln notwendig

„Der Leidensdruck sollte stets dafür entscheidend sein, ob es zu einer Operation kommt“, betont Dörings behandelnder Arzt Florian Brand, Orthopäde und Unfallchirurg. Schließlich würde nicht nach Röntgenbildern, sondern nach Beschwerden operiert. Und mit Trainingstherapien könne auf manche Eingriffe zunächst verzichtet werden. Brand relativiert auch die weitverbreitete Einstellung, erst in möglichst hohem Alter Gelenk­ersatz in Betracht zu ziehen. „Wenn der Schmerz zu groß wird, sollte gehandelt werden, egal, in welchem Alter.“

Und so erhält Jan Hendrik Döring mit 43 Jahren ein Implantat und wird mit der präventiven Rehabilitation bestens darauf vorbereitet. Probleme mit dem Gelenk hat Döring seit seiner Jugend, er wurde aufgrund einer Hüftkopflösung bereits als Teenager operiert. Dabei löst und verschiebt sich der Hüftkopf in der Wachstumsfuge von Jugendlichen auf dem Schenkelhals. Hormonelle Umstellungen in der pubertären Wachstumsphase schwächen diesen empfindlichen Knochenbereich so sehr, dass sich die Epiphyse (knorpelig angelegtes Gelenkende) des Knochens unter Belastung verschiebt.

Fast 30 Jahre später steht nun erneut eine Operation für ­Döring an der Hüfte bevor. Der Jurist möchte nach dem Eingriff nicht nur schnell wieder fit für seine Familie werden, sondern auch rasch wieder Golf spielen können, seine Leidenschaft. Am Klinikum soll er mit einem sogenannten Bikini-Zugang über die Leiste versorgt werden, „eine Methode, bei der der Gesäßmuskel nicht betroffen und schnelle Belastung möglich ist“, betont Mediziner Brand. „Wir wollen aber bereits vor der OP den Grundstein für gute Ergebnisse legen.“ Für das Prehab-Training ist es sinnvoll, rund drei Monate vor dem OP-Termin mit gezielten Übungen zu beginnen.

Jan Hendrik Döring

Jan Hendrik Döring

Patient

Trainer Florian Brand

Florian Brand: „Wir wollen bereits vor der OP den Grundstein für gute Ergebnisse legen.“

Muskulatur vor der Operation stärken

Ziele der Therapie sind weniger Komplikationen, eine bessere Beweglichkeit, schnellere Mobilisierung nach dem Eingriff und eine möglichst rasche Beweglichkeit der neuen Hüfte. Stillstand ist Muskelverlust. „In der Regel warten Patientinnen und Patienten ja mindestens ein Vierteljahr auf ihren OP-Termin“, erläutert Brand. Diese Zeit soll nun mit Unterstützung im skbs Reha-Sportzentrum für eine optimale Vorbereitung genutzt werden. „Jeder, der vor einem Eingriff gezielt die Muskulatur aufbaut, hat weniger postoperativen Verlust“, betont der Mediziner. Zudem sei auch Kreislauftraining wichtig, um den Eingriff bestmöglich zu verarbeiten.

Eine Hüft-OP-Vorbereitung richtet sich daher auch an ältere Betroffene. Sie benötigen in der Regel mehr Zeit, um Muskelmasse zurückzugewinnen. „Da ist es sinnvoll, sich im Vorfeld diese anzutrainieren“, so Brand. Im skbs Reha-Sportzentrum könne dann zusätzlich ein Training mit Hilfsmitteln stattfinden, die den Alltag nach dem Eingriff erleichtern. „Manche Menschen bereiten sich besser auf ihren Urlaub vor als auf eine Opera­tion“, meint der Mediziner.

Ambulantes Training auch nach dem Eingriff

Jan Hendrik Döring trainiert seit Jahren, um seine Hüft­pro­ble­me zu mindern. Die gezielten Übungen stärken nun aber im Vorfeld der Operation besonders involvierte Bereiche. „Im Training wird mir gezeigt, wo kräftemäßig meine größten Defizite liegen – und die passenden Übungen nehme ich mit nach Hause“, so der Familienvater. Er rechnet mit einem Klinikaufenthalt von rund fünf Tagen, mobilisiert wird bereits an Tag eins nach dem Eingriff. Döring ist hoch motiviert. „Mein Ziel ist, nach der OP an das anzuknüpfen, was ich mir jetzt erarbeitet habe“, sagt Döring.

Nach der Operation wird er wieder im Sportzentrum trainieren, eine stationäre Reha ist nicht geplant. „Ich habe mit den behandelnden Ärzten die verschiedenen Möglichkeiten besprochen. Hier erhalte ich eine gezielte, strukturierte Nachbehandlung – Gerätetraining, Massage, Physiotherapie. Ich denke, das passt für mich am besten.“

Jan Hendrik Döring hat sich viel mit seinem Training, dem Eingriff und seiner Genesungsreise auseinandergesetzt. „Mich beschäftigt das ganze Thema ungemein.“ Ein Gedanke ist für ihn besonders wichtig: „Vor vielen Jahren habe ich für kurze Zeit Football gespielt. Ein Satz meines Trainers begleitet mich bis heute: ‚Be prepared!‘ – ‚Sei vorbereitet!‘ Genau das versuche ich: im Gerichtssaal, beim Sport und auch vor der OP. Wo ich Fragezeichen beseitigen kann, will ich aktiv werden, um optimal vorbereitet zu sein.“ Und um danach schnell wieder fit zu sein – für die Familie, den Richterstuhl und seinen Lieblingssport.

Florian Brand

Florian Brand

Orthopäde und Unfallchirurg am Klinikum Braunschweig

Gleichgewicht üben

Gleichgewichtsübungen unter der Anleitung von Gerhard Schnalke (links), Leiter des skbs Reha-Sportzentrums.

Prehab-Übungen unter Expertenaufsicht

Das Klinikum Braunschweig hat zusammen mit Sportwissenschaftlern und der Physiotherapie ein Programm mit klaren Zielen bis zur OP geschaffen – inklusive Aufbau der Muskulatur und gezielten Dehnübungen für verkürzte Muskelbereiche. Das Prehab wird in Absprache mit den Patientinnen und Patienten individuell zugeschnitten. Bei Patient Döring liegt der Fokus auf vier Stationen.

Vald heißt das System, bei dem sämtliche Muskeln des Körpers durchgemessen werden können. Bei Jan Hendrik Döring werden die Kraftwerte von Knien und Oberschenkeln ermittelt und dabei die intakte und die zu operierende Seite verglichen. „Das Gerät ist auch für uns komplett neu“, sagt Florian Brand. Anhand der Datenauswertung werden gezielt Übungen ausgeführt, die Ergebnisse sind zudem Parameter dafür, wohin der Patient nach der Operation leistungsmäßig wieder kommen soll.

Koordinations- und Gleichgewichtsschulung ist im Vorfeld wichtig. Patient Döring muss dafür auf einem Balance-Pad etwa den Einbein- und den Zehenstand üben oder Bälle in stabilem Stand fangen.

Für Kondition, Kreislauf und Muskulatur trainiert er auf dem Laufband. Gerade Haltung, gleichmäßige Gangschulung und Koordination der Bewegungen werden hier unter physiotherapeutischer Aufsicht verbessert.

Schließlich arbeitet Jan Hendrik Döring beim Adduktorentraining an seinen Kraftdefiziten in Knie-, Oberschenkel- und Hüftbereich. Bei der Übung spürt er seine Grenzen, die er aber so im Vorfeld der Operation bereits erweitert und ausdehnt.

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