Fachgebiet Radioonkologie

Bestrahlung bei Krebs

Weniger Nebenwirkungen, mehr Tumorkontrolle: Das Fachgebiet Radioonkologie ist durch medizinischen Fortschritt und hochmoderne Geräte eine tragende Säule der Behandlungen geworden.

Text: Susanna Bauch
Foto: Kevin Galasso
Illustrationen: Lars Heppner/MMA, gentle studio/iStockphoto.com, vectorwin/iStockphoto.com

Bei der komplexen Therapie von Tumorerkrankungen spielt die Strahlentherapie eine zunehmende und wichtige Rolle. „Sie gehört neben der Chirurgie und der medikamentösen Therapie zu den drei tragenden Säulen bei der Behandlung“, betont Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Chefarzt der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Klinikum Braunschweig. Ziel der Bestrahlung ist, Tumorzellen zu vernichten beziehungsweise im Wachstum zu hemmen. „Während noch vor Jahren diese Therapie – vor allem wegen der damals noch bestehenden technischen Unzulänglichkeiten – überwiegend palliativ, also zur Linderung von Schmerzen, eingesetzt wurde, hat sie heute auch eine Bedeutung bei der Heilung einer Tumorerkrankung.“ Mehr als ein Drittel der bestrahlten Patientinnen und Patienten kann heute laut Krebsinformationsdienst auf Dauer geheilt werden. „Die innovativen Verfahren sind mittlerweile genauer und dadurch weniger belastend als früher. Inzwischen verdanken viele Menschen, die eine Krebserkrankung überstanden haben, ihr Leben dieser Behandlung.“

Die Strahlentherapie sei in den interdisziplinären Tumorkonferenzen gewissermaßen „in die erste Reihe vorgerückt“, so Prof. Dr. Hoffmann. Viele Krebserkrankungen werden primär operiert. „Für einige Tumoren etwa der Prostata oder im Kopf-Hals-Bereich steht aber als gleichwertige Alternative die alleinige Bestrahlung mit gleichen Heilungschancen zur Verfügung.“ Dank der Entwicklung modernster Bestrahlungstechnologie – sogenannter Linearbeschleuniger, von denen im Klinikum vier Geräte im Einsatz sind – ist es möglich, auch in der Tiefe des Körpers gelegene Tumoren präzise zu bestrahlen.

„Ermöglicht werden so eine zielgenaue und schonende Vernichtung bösartigen Gewebes und zugleich ein bestmöglicher Schutz von Umgebung und Organen“, betont Prof. Dr. Hoffmann. Die technische Weiterentwicklung der präzisen Strahlenbehandlung habe zudem dafür gesorgt, dass die operative Radikalität reduziert werden kann. „Heute kann so etwa die Amputation der Brust bei Brustkrebs in der Regel vermieden werden.“ Es genügt die Entfernung des bösartigen Tumors, wenn postoperativ die Brust bestrahlt wird.

Eine dreidimensionale und computergesteuerte Bestrahlungsplanung ermöglicht den wirksamen Einsatz der Technik: „Durch verbesserte bildgebende Verfahren lassen sich der Tumor und die verschiedenen Organe genau darstellen.“ Seit gut einem Jahr wird am Klinikum zudem die moderne adaptive Strahlentherapie realisiert. Während früher im Planungs-CT vor Therapiebeginn einmalig eingezeichnet wurde, welche Areale bestrahlt und welche geschont werden müssen, kann heute bei jeder Bestrahlung mit KI-Unterstützung zeitnah ein tagesaktueller Plan berechnet werden. Bei einer Prostatabestrahlung etwa kann so die Dosisverteilung an die aktuelle tägliche Anatomie – in Abhängigkeit der Füllung von Blase oder Mastdarm – angepasst werden. „Das ist zukunftsweisend. Das Verfahren führt zu weniger Nebenwirkungen und mehr Tumorkontrolle.“ Bislang ist diese Technik in Niedersachsen neben dem Klinikum Braunschweig nur an der Universitätsklinik Göttingen etabliert.

Je nach Therapieziel und Lokalisation der Tumoren werden Betroffene rund vier bis sechs Wochen bestrahlt, fünfmal pro Woche. „Eine zweitägige Pause am Wochenende ist biologisch nötig, damit sich das Gewebe erholt“, so der Experte. Akute Beeinträchtigungen wie Schleimhautentzündungen, Hautprobleme oder Brennen beim Wasserlassen sind oft nur vorübergehend. Stationär werden rund 20 Prozent der Bestrahlungen verabreicht, 80 Prozent der Patientinnen und Patienten kommen ambulant. „Die Bestrahlung erfolgt als alleinige Therapie oder zusammen mit Operation und Medikation.“ Auch wenn bei fortgeschrittenen Tumorstadien eine dauerhafte Heilung nicht mehr möglich ist, lassen sich belastende Symptome der Erkrankung wie Knochen- oder Nervenschmerzen, Luftnot oder Schluckbeschwerden gut und nebenwirkungsarm durch eine Bestrahlung lindern. Prof. Dr. Hoffmann: „Hierdurch lässt sich die Lebensqualität der Betroffenen oftmals deutlich verbessern.“

Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann

Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann

Chefarzt für Strahlentherapie und Radioonkologie und Sprecher des Cancer Centers am Klinikum Braunschweig

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Prozent der Bestrahlungen erfolgen ambulant.

Gezielt gegen Tumorzellen

Strahlentherapie setzt ionisierende Strahlen gezielt gegen bösartige Tumoren ein. Ionisierend bedeutet, dass die Strahlung Moleküle aufbrechen kann, die DNA der Tumorzellen Schaden nimmt und so die Zelle abstirbt. Im Gegensatz zur medikamentösen und damit systemischen Therapie wirkt die Strahlentherapie nur im Bereich des Bestrahlungsfeldes. Gesundes Gewebe ist widerstandsfähiger: Deshalb schädigen Strahlen den Tumor stärker als nicht vom Krebs betroffene Organe in seiner Nähe.

Während sich gesundes Gewebe meist von der Bestrahlung erholt, sind Tumoren oder auch vereinzelte Krebszellen so stark beschädigt, dass sie nicht weiter wachsen beziehungsweise ganz zerstört werden. Damit lässt sich auch verhindern, dass Metastasen in anderen Organen entstehen. Ist eine Heilung eines an Krebs erkrankten Menschen nicht möglich, kann die Strahlentherapie Beschwerden lindern und oft das Leben verlängern.

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