Der Pflegeprozess in der Praxis
Stationsleitung Tatjana Kaminski und Lehrkraft Ewelina Rembitzki erklären, warum professionelle Pflege überprüfbar sein muss und wie der Pflegeprozess in der Praxis umgesetzt wird.
Autorin: Sabrina Mandel
Tatjana Kaminski
ist seit Beginn ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin im Klinikum Braunschweig tätig. Sie arbeitete in der Kardiologie und als Pflegefachleitung in der Pneumologie. Nach Abschluss des Studiengangs Pflegemanagement mit dem Schwerpunkt des stationären Managements und der Pflegepädagogik trat sie die Stationsleitung in der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie an.
Ewelina Rembitzki
hat als Krankenschwester auf verschiedenen Stationen an allen drei Standorten des Klinikums Braunschweig gearbeitet. Nach dem Studium der Erziehungswissenschaften in der Erwachsenenbildung hat sie ihre Arbeit als Lehrkraft in der Berufsfachschule für Pflegeberufe mit eigener Kursverantwortung aufgenommen.
Was ist der größte Unterschied zwischen häuslicher Pflege durch Angehörige und der Arbeit professionell ausgebildeter Pflegefachkräfte?
Tatjana Kaminski: Die sogenannte Laienpflege findet oftmals durch Angehörige statt, die sehr viel Zeit und Mühe investieren, jedoch nicht unseren beruflichen Hintergrund haben. Wenn man es zu Hause ohne Unterstützung nicht mehr schafft, kommt die professionelle Pflege ins Spiel.
Ewelina Rembitzki: Im professionellen Bereich arbeiten wir als Team, wir müssen uns als Pflegefachkräfte gut untereinander vernetzen und einen Austausch mit allen beteiligten Berufsgruppen pflegen.
Professionelle Pflege erfolgt nach dem sogenannten Pflegeprozess. Was ist darunter zu verstehen?
Ewelina Rembitzki: Der Pflegeprozess beschreibt ein strukturiertes und logisches Vorgehen. Er folgt einem Regelkreis, der in einzelnen, aufeinander aufbauenden Schritten verläuft und bei Veränderungen angepasst wird: Informationen über die Patientin oder den Patienten zu Beschwerden sowie Vorerkrankungen sammeln, Probleme und Ressourcen ermitteln, Ziele definieren, Maßnahmen festlegen, die Durchführung dieser Maßnahmen und die Evaluation als fachgerechte Bewertung.
Warum sind diese festgelegten Abläufe notwendig?
Tatjana Kaminski: Der Pflegeprozess ist ein roter Faden im Rahmen von Transparenz und Klarheit, er ist ein systematischer und zielgerichteter Arbeitsablauf, an den sich jede Pflegefachkraft hält.
Worin bestehen die Vorteile?
Tatjana Kaminski: Wir orientieren unser Handeln daran. Jeder Pflegekraft ist klar, wie der Ablauf sein soll und was das Ziel ist. Wir haben Kennwerte, um zu schauen, ob die Maßnahmen Sinn ergeben oder ob wir nachbessern müssen.
Wenn Pflegende nach einem festgelegten Schema vorgehen, bleibt dann noch Zeit, auf andere Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten einzugehen?
Ewelina Rembitzki: Ja! Denn die Pflegeplanung ist immer individuell, weil die Ressourcen und Probleme individuell sind – kein Mensch ist gleich!
Tatjana Kaminski: Empathie und Wertschätzung spielen neben der pflegerischen Versorgung eine sehr wichtige Rolle. Wir pflegen individuelle Menschen, die eine individuelle Lebensgeschichte haben, die über ganz individuelle Ressourcen verfügen, die auch sehr unterschiedliche Erfahrungen und Hintergründe mitbringen.
Ewelina Rembitzki: Die Pflege versucht, gerade diese personenbezogenen Besonderheiten herauszufinden und bestmöglich zu handeln.
Auch die Dokumentation hat heute einen hohen Stellenwert: Ist sie nur Zeitfresser oder unabdingbar?
Tatjana Kaminski: Wir müssen dokumentieren, damit wir unsere Arbeit nachweisen können, aber auch, um den tagesaktuellen Stand auf einen Blick zu sehen. Dokumentation ist aufwendig, aber im Klinikum gab es einen großen Digitalisierungsschub, vieles wurde vereinfacht und nimmt nicht mehr so viel Zeit in Anspruch.
Inwieweit dürfen Pflegefachkräfte im festgeschriebenen Pflegeprozess eigentlich eigenverantwortlich handeln?
Tatjana Kaminski: Die Pflegefachkräfte handeln immer eigenverantwortlich. Sie haben die entsprechende Ausbildung, sie haben den Pflegeprozess als roten Faden. Sie wissen, was das Ziel ist.
Ewelina Rembitzki: Wir planen eigenständig und stellen den individuellen Pflegebedarf fest, wir müssen organisieren, gestalten und den gesamten Pflegeprozess steuern.
Wie reagieren Angehörige auf festgelegte Abläufe, die Pflegefachkräfte einhalten und umsetzen müssen?
Ewelina Rembitzki: Angehörige sind stark emotional eingebunden und reagieren manchmal mit Unverständnis. Wir versuchen, sie immer mit ins Boot zu holen, erklären und hören zu, denn sie sollen wissen, wie es weitergeht. Die Angehörigengespräche sind ein wichtiger Teil der Pflege.
Tatjana Kaminski: Wenn wir uns die Zeit nehmen, unser Vorgehen, unsere Abläufe und die Ziele verständlich zu erklären, werden auch Angehörige ruhiger und reagieren positiv.