Das Team der Kardiotechnik ist für den Betrieb und die Überwachung der Herz-Lungen-Maschine verantwortlich.
Herzstillstand, um Leben zu retten
Poleposition an der Herz-Lungen-Maschine: Sechs Fachleute sorgen mit der Überwachung des Blutkreislaufs außerhalb des Körpers dafür, dass Herzoperationen am Klinikum Braunschweig reibungslos und sicher verlaufen.
Autorin: Susanna Bauch
„Wir sind keine Techniker in dem Sinne, dass wir medizinische Geräte instand setzen. Wir wenden sie an.“ Für Michael Steiner und seine Kolleginnen und Kollegen in der Kardiotechnik des Klinikums Braunschweig ist dieser Fakt von großer Bedeutung. „Die Bedienung hochkomplexer medizintechnischer Apparate braucht Anwendungsspezialistinnen und -spezialisten mit profunden medizinischen sowie technischen Kenntnissen.“ Daher identifiziert sich der 43-jährige stellvertretende Leiter der Abteilung auch weniger mit der deutschen Berufsbezeichnung Kardiotechniker als mit der international üblichen „klinischer Perfusionist und technischer Mediziner“ – ein anspruchsvoller Beruf mit viel Verantwortung.
Einsatz bei Operationen am offenen Herzen
Im OP-Saal 11 der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (HTG) erhält ein Patient eine neue Aortenklappe und vier Bypässe. Eine Operation am offenen Herzen also, Haupteinsatzszenario der Kardiotechniker, die seitlich des OP-Tisches platziert sind. Abteilungsleiter Torsten Schlumbohm sitzt vor dem sogenannten Perfusionssystem, der Herz-Lungen-Maschine (HLM), durch die während des komplexen Eingriffs die Arbeit des menschlichen Herzens und der Lunge ersetzt wird. Das venöse, sauerstoffarme Blut wird dabei aus dem rechten Herzvorhof des Patienten abgesaugt, über verschiedene Schläuche in die Maschine geleitet, dort mit Sauerstoff angereichert und wieder zurückgeführt. Somit ist für eine ausreichende Sauerstoffversorgung des Gehirns und des Körpers während des geplanten Herzstillstands gesorgt.
Während der Operation zeigen Monitore lebenswichtige Patientenwerte an.
Kardiotechniker kontrolliert die Systeme
In diversen Schläuchen und Komponenten zirkuliert das Blut. „Über eine Bedienkonsole und verschiedene Anzeigendisplays werden neben Druck- und Flussraten sowie Temperatur und Sauerstoffsättigung etliche weitere patientenspezifische Parameter kontrolliert und den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. Sicherheits- und Alarmsysteme unterstützen uns dabei, möglichen Lufteintritt oder eine Gerinnselbildung innerhalb der Maschine zu verhindern“, erläutert Kardiotechniker Michael Steiner. „Verschiedene Filtersysteme reinigen das Blut von groben Zell- und Gewebebestandteilen, bevor es in den Körperkreislauf zurückgeführt wird", erläutert Torsten Schlumbohm. Immer wieder korrigiert der Kardiotechniker die Einstellungen an der Herz-Lungen-Maschine, stimmt sich mit dem Chirurgen und der Anästhesistin während der OP ab. Das Team ist hoch konzentriert.
Einsatz der Herz-Lungen-Maschine
„Unser Einsatz der HLM während der Herzoperation ist ein bisschen vergleichbar mit einem Flug“, sagt Michael Steiner, der ursprünglich aus der Krankenpflege kommt. „Start und Landung können turbulent und herausfordernd sein, der Flug verläuft in der Regel ruhig.“ Welche Herz-Lungen-Maschine zum Einsatz kommt, hat der Kardiotechniker vorher mit den Operierenden besprochen, er hat das Gerät steril aufgebaut, Blut führende Komponenten geprüft, Infusionslösungen aufgefüllt.
Die Chirurginnen und Chirurgen öffnen den Brustkorb, und schließen die Maschinen an den Körper an. „Nach Abklemmen der Hauptschlagader leiten wir mit der HLM und einer speziellen Lösung den Herzstillstand ein. Von diesem Moment an übernehmen wir mit unserer Maschine alle wesentlichen Funktionen – und die Verantwortung für das Leben der Patientin oder des Patienten“, so Steiner. Und all das so schonend wie möglich. Nach dem Eingriff wird die Maschinenleistung langsam wieder zurückgefahren – „bis die Patientin oder der Patient selbst wieder übernimmt“.
Michael Steiner
Kardiotechniker, Klinikum Braunschweig
Vorbereitung im Team (von links): Thomas Naumer, Michael Schwerin, Torsten Schlumbohm, Jonathan Düe, Michael Steiner und Amra Fazlagic.
Kardiotechnik hat viele Schnittstellen
Weitere Aufgaben der Kardiotechnik-Teams sind die Betreuung von Herz- und Lungenunterstützungssystemen für den Langzeiteinsatz, das Programmieren von Herzschrittmachern und Defibrillatoren sowie die technische Unterstützung und die Bedienung des OP-Roboters im Hybrid-OP. Dort ist Michael Steiner auch im Einsatz. „Die Kardiotechnik ist ein Schnittstellenberuf, sie betrifft Medizintechnik, IT, Anästhesie, OP-Pflege, Hygiene und Herzchirurgie“, betont Steiner, in dessen Team neben Leiter Schlumbohm noch zwei Kolleginnen und zwei Kollegen arbeiten. Der Bedarf an Nachwuchskräften in der Kardiotechnik bundesweit ist groß.
Auch das Klinikum ist derzeit auf der Suche. Der klinische Perfusionist sei ein Nischenberuf – „hoch spezialisiert und bestens qualifiziert für die immer technischer werdende OP-Landschaft“.
Torsten Schlumbohm arbeitet seit 30 Jahren am Klinikum. Etwa vier Herzoperationen stehen täglich auf dem Plan. Rund dreieinhalb Stunden wird der Eingriff mit der Beseitigung der vier Engstellen an den Herzkranzgefäßen sowie dem Einsetzen der neuen Aortenklappe im OP-Saal 11 dauern. Steiner und Schlumbohm sehen die Operierten erst auf der HTG-Intensivstation wieder – wenn sie dort zur technischen Nachkontrolle vorbeischauen. „Wir prüfen dann die Einstellungen und die Blutgaswerte der Herz- und Lungenunterstützungssysteme oder passen die Programmierung von Herzschrittmachern an“, erläutert der 43-Jährige. Auch dabei zählen wieder Präzision am technischen Gerät sowie Kommunikation mit dem gesamten Intensivteam – Basisarbeit für das Team Kardiotechnik.
Ausbildung zum Kardiotechniker/zur Kardiotechnikerin
Voraussetzung für eine Ausbildung zur staatlich geprüften Kardiotechnikerin oder zum staatlich geprüften Kardiotechniker sind ein Realschulabschluss, eine Ausbildung in der Gesundheits- oder Kinderkrankenpflege, in der Medizintechnik, als Radiologieassistentin oder -assistent oder als medizinisch-technische Laborassistentin bzw. Laborassistent. Mindestens zwei Jahre im erlernten Beruf müssen absolviert sein, auch sind gesundheitliche Eignung sowie ein polizeiliches Führungszeugnis nötig.
Das Berufsbild sieht vor, dass eine Herz-Lungen-Maschine während eines herzchirurgischen Eingriffs bedient und begleitend eine Patientin oder ein Patient überwacht werden. Die Ausbildung an einer staatlich anerkannten Ausbildungsstätte dauert zwei Jahre und besteht aus einem Lehrgang, der theoretische und praktische Anteile enthält. An der Akademie für Kardiotechnik ist nun ausschließlich ein akademischer Abschluss (Bachelor) möglich. Das durchschnittliche Jahresgehalt liegt bei rund 70 000 Euro.
Informative Links
Sie möchten mehr über den Beruf als Kardiotechnikerin/Kardiotechniker wissen? Wir haben nützliche Links für Sie.
- Kardiotechnik: Ausbildung und Beruf
- Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik: Künftige Anforderungen an das Kompetenzprofil Kardiotechnik
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