Schlaganfall Behandlung im Krankenhaus: Tempo, im Team

Schnittstellenübergreifende Zusammenarbeit in der Schlag-
anfallversorgung: Zentrale Notaufnahme (ZNA), Intensiv-
station, Stroke Unit und die neurologische Station arbeiten
im Ernstfall präzise, schnell und vor allem Hand in Hand.

Schnittstellenübergreifende Zusammenarbeit in der Schlaganfallversorgung: Zentrale Notaufnahme (ZNA), Intensivstation, Stroke Unit und die neurologische Station arbeiten im Ernstfall präzise, schnell und vor allem Hand in Hand.

Autorin: Susanna Bauch

Egal wer gerade Dienst hat, sie sind ein eingespieltes Team: Die Pflegefachkräfte in ZNA, Stroke Unit, Neurologie- und Intensivstation kämpfen im Notfall immer gemeinsam um den Schlaganfallpatienten oder die 
-patientin. Denn nicht nur die Zeit zählt, auch präzise Abläufe und gegenseitiges Vertrauen sind essenziell. Im Interview erläutern Anja Wagner-Brandt, Sabine Schütz, Kai Strömsdörfer und Marjus Canaku, wie diese enge Zusammenarbeit der beteiligten Pflegefachkräfte konkret aussieht.

Was passiert, wenn ein Patient oder eine Patientin mit Verdacht auf Schlaganfall in die Notaufnahme kommt?

Marjus Canaku: Zunächst einmal werden wir schon vom Team im Rettungswagen informiert, dass es sich vermutlich um einen Schlaganfall handelt. Oft werden bereits im Wagen erste Schritte wie Blutabnahme eingeleitet. Wir nehmen das Rettungsteam mit der oder dem Erkrankten in Empfang für die Ersteinschätzung und Dringlichkeitsbeurteilung. Die Neurologin oder der Neurologe wird informiert und trifft die Entscheidung, wie es weitergeht. Dann sind wir dafür zuständig, Zugänge zu legen, Blut abzunehmen, ein EKG auszuwerten. Bei einem akuten Schlaganfall werden sofort alle Beteiligten über eine bestimmte Rufnummer informiert: ­Stroke Unit, Neurologie und Radiologie sind dann alarmiert und machen sich bereit.

der Schlaganfälle entstehen
durch Blutgerinnsel im Gehirn.

der Schlaganfälle entstehen durch Blutgerinnsel im Gehirn.

Wie gehen Sie in der Notaufnahme mit den Patienten und Patientinnen um?

Marjus Canaku: Wir versuchen schon in der Notaufnahme gemeinsam eine Anamnese zu machen und eventuell zu schauen, was für die Betroffenen gebraucht wird, wenn sie wieder stabil sind. Wir sind bestrebt, schon im Erstkontakt die komplette Behandlung zu überblicken.

Anja Wagner-Brandt: Hat der Patient oder die Patientin einen hochgradigen Verdacht auf Schlaganfall, geht es sofort ins CT. Ein Schlaganfall muss schnell erkannt und noch schneller behandelt werden. Der Schlaganfall wird in der Regel durch eine bildgebende Diagnostik wie eine Computertomografie des Kopfes festgestellt. Diese Untersuchungen sollten sofort nach Einlieferung in das Krankenhaus durchgeführt werden.

Sabine Schütz: In dieser Röntgenschichtaufnahme kann schon zu Beginn zwischen einer Hirnblutung oder einem Hirninfarkt unterschieden werden. Abhängig von der ermittelten Hauptursache wird die weitere Therapie eingeleitet.

Und wenn sich der Verdacht auf einen Hirninfarkt im CT bestätigt? Das sind ja geschätzt 85 Prozent aller Schlaganfälle gegenüber 15 Prozent Hirnblutungen.

Sabine Schütz: Dann initiieren wir die sogenannte Lyse – dabei wird ein Medikament verabreicht, das das Gerinnsel auflösen soll. Die Behandlungserfolge sind am besten, je schneller mit dieser Therapie begonnen wird – Time is brain. Die Lysetherapie ist aber nicht für alle Patientinnen und Patienten geeignet, zum Beispiel muss eine Blutung im Gehirn ausgeschlossen sein.

Ein Bett auf der Stroke Unit wird reserviert, der sogenannte Lyse-Pieper aktiviert. Das bedeutet, dass ein Kollege oder eine Kollegin der Stroke Unit mit dem Lyse-Rucksack losrennt direkt ins CT. Dort erhalten die Notfälle dann bereits die erste Spritze zur Blutverdünnung. Wir nennen das unter uns „Rendezvous im CT“, wenn die Mitarbeitenden der verschiedenen Abteilungen zusammentreffen – die ZNA, das CT und die Stroke Unit. Wir tauschen da auch unsere Monitore aus, übernehmen die Patientin oder den Patienten aus der ZNA.

Marjus Canaku: Der erste Eindruck eines Schlaganfallpatienten oder einer -patientin bestätigt sich oft. Wir haben auch schon viele erfolgreiche Lysen gesehen.

Anja Wagner-Brandt: Die enge Zusammenarbeit zwischen der internistischen und der neurologischen Abteilung ist sehr wichtig und sehr gut. Wenn die Lyse nicht reicht und der Voralarm aus dem CT zu einer Thrombektomie, also zu einer operativen Entfernung des Blutgerinnsels, eingeht, laufen Zeit und Vorbereitungen – für Narkose, Intubation, weitere Zugänge. Das Verfahren wird bei größeren Blutgerinnseln eingesetzt: Sie werden mithilfe eines Katheters, der über die Leiste eingeführt wird, entfernt.

Was ist eine Lyse?

Lyse ist die Kurzbezeichnung für das Wort Thrombolyse: Alle Patientinnen und Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, erhalten ein Medikament, das bei ihnen das Blutgerinnsel in den Hirnarterien auflöst. Diese Infusion muss innerhalb der ersten Stunden nach Einsetzen der Symptome verabreicht werden. Deshalb gilt als Leitsatz „time is brain“, weil jeder Zeitverzug wertvolle Gehirnzellen schädigt.

Marjus Canaku (31) hat in seiner Heimat Albanien einen Master für Notfallpflege
erworben. 2018 ist er ans Klinikum Braunschweig gewechselt und ist seitdem in der
Zentralen Notfallaufnahme (ZNA) tätig. Hier arbeitet er als Fachpfleger.

Marjus Canaku (31) hat in seiner Heimat Albanien einen Master für Notfallpflege erworben. 2018 ist er ans Klinikum Braunschweig gewechselt und ist seitdem in der Zentralen Notfallaufnahme (ZNA) tätig. Hier arbeitet er als Fachpfleger.

Sabine Schütz (52) hat 1989 ihre
Ausbildung gemacht und
arbeitet seit 31 Jahren am
Klinikum. Schütz ist
kommissarische Leitung der
Neurologie 1 A und der Stroke
Unit, deren Zertifizierung sie mit
vorangetrieben hat. Sie betreut
die Station mit 16 Betten, das
Thema Schlaganfall ist immer
wieder eine Herausforderung.

Sabine Schütz (52) hat 1989 ihre Ausbildung gemacht und arbeitet seit 31 Jahren am Klinikum. Schütz ist kommissarische Leitung der Neurologie 1 A und der Stroke Unit, deren Zertifizierung sie mit vorangetrieben hat. Sie betreut die Station mit 16 Betten, das Thema Schlaganfall ist immer wieder eine Herausforderung.

Wie geht es weiter, wenn eine solche Operation ansteht?

Anja Wagner-Brandt: Von uns behandelt, sind die Erkrankten im Optimalfall in zehn Minuten transportfähig, wiederum zeitnah liegt der Patient oder die Patientin auf dem OP-Tisch. Die Pflegefachkräfte sorgen dafür, dass Monitore und Medikamente mit umziehen und dass Neurologie und Anästhesie informiert werden.

Wer checkt nach den Eingriffen die neurologischen Ausfälle der Patientin oder des Patienten?

Sabine Schütz: Auf der Stroke Unit kontrollieren wir erneut die Betroffenen auf Lähmungen, Sprachschwierigkeiten, Ausfälle und etwaig desorientiertes Verhalten. Alle 15 Minuten unter laufender Lysetherapie werden die Vitalparameter überprüft. Wir erkennen meist sofort die Schwere der Auswirkungen des Schlaganfalls und auch, um was für einen Hirninfarkt es sich handelt.

Wann kann mit der Therapie zur Rehabilitation der Infarktfälle begonnen werden?

Sabine Schütz: 24 Stunden gilt Bettruhe, aber trotzdem kann es losgehen mit Physio-, Ergo- und Logotherapie.

Kai Strömsdörfer: Das ist individuell. Bereits von der ZNA sind wir in der Neurologie informiert, dass ein Schlaganfall-Fall kommen wird. Wir bekommen ja viele Patienten und Patientinnen nicht nur aus der Notaufnahme oder der Intensivstation, sondern auch von Praxen außerhalb. Wenn die Stroke Unit die Patientin oder den Patienten konkret ankündigt, bereiten wir uns auf eine Akutbehandlung vor, stimmen die individuelle Therapie aber erst ab, wenn die Infarktbetroffenen auch da sind.

Wissen immer alle Mitarbeitenden, was wann zu tun ist?

Marjus Canaku: Es gibt das feste Ablaufschema, nach dem wir schnellstmöglich gemeinsam handeln.

Anja Wagner-Brandt: Mit neuen Kolleginnen und Kollegen proben wir live einen Durchlauf – beim ersten Mal mit Video und gemeinsamer Auswertung.

Sabine Schütz: Ja. Und wir haben das Stroke-Team-Training, das allen Beteiligten Sicherheit für die Abläufe gibt.

Kai Strömsdörfer: Nach der Übergabe am Bett wird weiterbehandelt. Die Erkrankten müssen aus der Überwachungspflicht heraus und stabil sein. Wir arbeiten interdisziplinär mit den therapeutischen Teams, je nach Schweregrad über Tage oder auch Wochen hinweg.

Was bedeutet der Zeitfaktor für die optimale medizinische Betreuung der Betroffenen?

Marjus Canaku: Eigentlich alles. Das Zeitfenster ist bei einem Schlaganfallgeschehen sehr begrenzt.

Anja Wagner-Brandt: Die Lyse sollte innerhalb von 4,5 Stunden, die Thrombektomie innerhalb von sechs Stunden erfolgen, beides ist immer eine Einzelfallentscheidung durch den Arzt oder die Ärztin. Ansonsten kommen die Fälle direkt auf die Stroke Unit.

Sabine Schütz: Vor allem bei der Lyse versuchen wir immer neue Konzepte, um die sogenannte Door-to-needle-Zeit – die Zeit zwischen Eintreffen und Behandlung – zu verbessern.

Kai Strömsdörfer: Wenn die Menschen zu uns kommen, sind sie bereits wieder stabil. Je nach Schweregrad, Allgemeinzustand und ärztlicher Entscheidung beginnen wir mit der Therapie. Das Krankheitsbild ist sehr individuell, die Genesung braucht Zeit. Wir versuchen aber schnell zu mobilisieren – je früher man anfängt, desto besser der Erfolg.

Wie häufig kommt es zu Schlaganfallereignissen und welchen Stellenwert haben sie im Ablauf am Klinikum Braunschweig?

Anja Wagner-Brandt: Eine Thrombektomie, eine Entfernung des Blutgerinnsels bei größeren Verschlüssen, machen wir durchschnittlich 15-mal im Monat. In absoluten Zahlen: Im vergangenen Jahr waren es 174 Fälle. Manchmal reicht aber auch der medikamentöse Blutverdünner, und die Patientinnen und Patienten können direkt auf Station.

Marjus Canaku: Ein frischer Schlaganfall hat erste Priorität. Wir lassen dann alles liegen.

Anja Wagner-Brandt: Ziel ist es, erfolgreich zu sein. Wir wollen Menschen retten und dazu beitragen, dass sie nach diesem dramatischen Vorfall wieder ein Leben ohne Einschränkungen führen können.

Kai Strömsdörfer (33) hat 2011 seine Ausbildung zum Gesundheits- und
Krankenpfleger zunächst in München begonnen und 2014 in Braunschweig
abgeschlossen. An der Ostfalia Hochschule erwarb er den Bachelor für angewandte
Pflegewissenschaften und arbeitet seitdem als Pflegefachkraft in der Neurologie.

Kai Strömsdörfer (33) hat 2011 seine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger zunächst in München begonnen und 2014 in Braunschweig abgeschlossen. An der Ostfalia Hochschule erwarb er den Bachelor für angewandte Pflegewissenschaften und arbeitet seitdem als Pflegefachkraft in der Neurologie.

Anja Wagner-Brandt (44) leitet die medizinisch-neurologische Intensivstation, auf
der sie bereits seit 2010 arbeitet. Die zweifache Mutter hat im Klinikum Wolfsburg
ihre Ausbildung absolviert, berufliche Stationen waren seit 1999 im Klinikum
Braunschweig die Intensivstation, 2006 bis 2008 die Fachweiterbildung für
Intensiv- und Anästhesiepflege, 2015 bis 2017 eine Fachweiterbildung für
Leitungsaufgaben in der Pflege, seit Juli 2019 hat sie die Stationsleitung inne.

Anja Wagner-Brandt (44) leitet die medizinisch-neurologische Intensivstation, auf der sie bereits seit 2010 arbeitet. Die zweifache Mutter hat im Klinikum Wolfsburg ihre Ausbildung absolviert, berufliche Stationen waren seit 1999 im Klinikum Braunschweig die Intensivstation, 2006 bis 2008 die Fachweiterbildung für Intensiv- und Anästhesiepflege, 2015 bis 2017 eine Fachweiterbildung für Leitungsaufgaben in der Pflege, seit Juli 2019 hat sie die Stationsleitung inne.

Am Klinikum Braunschweig haben bei einem Schlaganfalltraining unterschiedliche Berufsgruppen und Bereiche den Notfall gemeinsam geübt. Das Video zeigt, wie es den Teams erging.

2023-06-06T18:45:01+02:00
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