Wer möchte die 4-Tage-Woche ausprobieren? So lautete eine Anfrage der Pflegedirektion. „Die Resonanz war gemischt“, erinnert sich Gerrit Heim, stellvertretende Stationsleitung in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Aus dem rund 20-köpfigen Team, für das er verantwortlich ist, beteiligen sich vier Kolleginnen und Kollegen seit 1. Februar an dem Projekt. So auch Pflegefachmann Kevin Wiedmann: „Im normalen Schichtbetrieb hatte ich das Gefühl, wenig Zeit für mich zu haben.“ Das veränderte Modell verhelfe zu mehr Work-Life-Balance, es ermögliche Erholung, nicht nur am Wochenende.
Wiedmann verschweigt nicht, dass die Umstellung „anfangs hart war“. Zwar beträgt seine vorgeschriebene Pausenzeit aufgrund der täglichen Verlängerung der Arbeitszeit jetzt 45 Minuten statt eine halbe Stunde wie bei den anderen, doch sein Frühdienst hat sich etwa um zweieinhalb Stunden verlängert. Wenn er Spätdienst hat, beginnt seine Tätigkeit eineinhalb Stunden eher als bei den übrigen Teammitgliedern und endet eine Stunde später. „Aber weil ich freie Tage sammeln kann, geht es mir dadurch besser.“
Halina Förster arbeitet in der Endoskopie und schätzt es, einen Tag pro Woche länger arbeiten zu können, um dann einen zusätzlichen freien Tag im Monat zu haben.
Vorteile für die Mitarbeitenden
Kevin Wiedmann und Gerrit Heim beschreiben Vorteile, die dem gesamten Team nützen. Wer früh anfängt und länger als üblich arbeitet, kann schon einmal Checklisten für den Tagdienst vorbereiten oder die Medikamentenzuteilung kontrollieren, das ist eine Unterstützung. Auch kann Wiedmann, der Bezugsperson für ihm zugeteilte Patientinnen und Patienten ist, mit ihnen öfter sprechen als im früher gewohnten Tagesablauf.
Heim als stellvertretende Stationsleitung berichtet über erste Erfahrungen: „Den Nachtdienst für die Viertagewoche mussten wir verändern, ursprünglich dauerte er von 21 bis 7:45 Uhr, aber dabei sind die Teilnehmenden nach Schichtende nicht wirklich zur Ruhe gekommen. Besser funktioniert eine Dienstzeit von 20 bis 6:45 Uhr.“ Die Stimmung im gesamten Team sei gut, finanzielle Anreize seit Kurzem für das Einspringen oder für kurzfristigen Schichttausch „haben das Thema entspannt“. Noch ein Effekt: Krankheitsausfälle – so scheint es – sind unter dem neuen Arbeitszeitmodell rückläufig.
Die Viertagewoche ist ein Angebot, „das wir Menschen, die sich für eine Tätigkeit am Klinikum interessieren, als zusätzlichen Pluspunkt nennen wollen“, betont Pflegedirektor Rick Pieger. Ältere Mitarbeitende würden vielleicht keine Vorteile darin sehen, „aber für die Bedürfnisse von Jüngeren passt das möglicherweise ganz gut“. Das Projekt ist mit dem Betriebsrat abgestimmt. Pieger unterstreicht außerdem, dass Projektbeteiligte jederzeit zum früheren Schichtmodell zurückkehren dürften.
Sabrina Elfers
Stationsleitung in der Zentralendoskopie
Zusätzlicher freier Tag
Ein verändertes Arbeitszeitmodell testen derzeit auch Mitarbeitende aus der Endoskopie: Statt an vier Tagen je Woche länger zu arbeiten, geschieht das bei zehn von 20 Teammitgliedern an nur einem Tag pro Woche. Die zusätzlich gewonnenen Stunden addieren sich zu immerhin einem Tag im Monat. Zunächst war sogar angedacht, mehrmals in einer Woche länger zu arbeiten, doch das hat sich als nicht praktikabel erwiesen. Stationsleitung Sabrina Elfers: „Ich habe es versucht, aber da spüren wir hier körperliche Grenzen. Wir tragen Röntgenschürzen, arbeiten immer an der Patientin oder am Patienten, bekommen Notfälle rein. Auch lassen sich Tätigkeiten wie beispielsweise Magenspiegelungen zeitlich nicht verschieben oder vorziehen.“
Einmal pro Woche knapp zehn Stunden zu arbeiten sei hingegen verkraftbar. Dann beschränke sich die freie Zeit nicht auf das Wochenende, sondern man habe einmal pro Monat einen Tag komplett während der Woche frei. Zufrieden äußert sich auch ihre Kollegin Ivanka Möllmann: „Mir macht die Mehrarbeit nichts aus – der freie Tag extra macht sich positiv bemerkbar.“ Und Halina Förster, ebenfalls in der Endoskopie tätig, sagt: „In der Spätdienstwoche komme ich an einem Tag zwei Stunden früher. Das macht für mich keinen großen Unterschied.“
Flexible Arbeitszeitmodelle
Die 4-Tage-Woche oder nur ein langer Tag pro Woche – dazu hat Dr. Helena Auber, Leiterin des klinikeigenen Instituts für Arbeitsmedizin, Arbeitssicherheit und Umwelt, eine differenzierte Meinung: „Flexible Arbeitszeitmodelle werden aus meiner Erfahrung dann besonders gut angenommen, wenn die Mitarbeitenden gewisse Entscheidungsspielräume haben.“
Elementar sei, dass die oder der Betreffende einen persönlichen Vorteil in dem Arbeitszeitmodell erkennen kann. Manchmal, aber längst nicht immer sei auch der Aspekt der körperlichen Belastung bei der Entscheidung für ein Modell ausschlaggebend. Wünsche und Bedürfnisse hätten auch mit Lebensphasen zu tun.
Umfrage
In Deutschland bewerten viele Vollzeitbeschäftigte eine Verkürzung der Arbeitswoche unter bestimmten betrieblichen Voraussetzungen als positiv – so das Ergebnis einer repräsentativen Studie.
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Mehr Zeit für mich selbst haben möchte.
Mehr Zeit für Hobbys, Sport und Ehrenamt haben möchte.
Quelle: WSI, Hans-Böckler-Stiftung, 2023
Informative Links
Sie wollen mehr über Arbeitszeitmodelle wissen?
Hier erfahren Sie mehr.
- Umfrage: Vollzeitkräfte wünschen sich andere Verteilung der Arbeitszeit
- Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung: Vor- und Nachteile der Vier-Tage-Woche
- Arbeitszeit: Vier Tage in der Woche möglichst ohne Lohneinbußen
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