Legalisierung von Cannabis in Deutschland

Welche Risiken hat der Bubatz?

Der Gesetzgeber gestattet nun den Konsum von Cannabis – für Menschen ab 18 Jahren und in geregelten Grenzen. puls hat PD Dr. Alexander Diehl, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, dazu befragt.

Autorin: Prem Lata Gupta

Gerade Jüngere, die kiffen, sprechen nicht von Cannabis: Der weitaus geläufigere Begriff für sie ist „Bubatz“. Das klingt nach Kindersprache und hört sich irgendwie lustig an. Die Fachmedizin dagegen, die mit Suchtkranken zu tun hat oder einen Zusammenhang feststellt zwischen Cannabiskonsum und psychischen Erkrankungen, sieht im Cannabiskonsum durchaus ernsthafte Gefahren. PD Dr. Alexander Diehl, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Braunschweig, begrüßt in erster Linie die Entkriminalisierung durch das neue Gesetz und die Absicht, den Schwarzmarkt auszutrocknen: Denn die Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland seit dem 1. April 2024 besagt, dass Volljährige im öffentlichen Raum bis zu 25 Gramm und im Privatbereich bis zu 50 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen dürfen. Erlaubt sind die Einfuhr von Samen und der private Anbau von drei Pflanzen. „Im Vergleich zu Alkohol und Tabak ist die Substanz Cannabis weniger schädlich als legale Drogen“, erläutert PD Dr. Alexander Diehl seine grundsätzliche Einschätzung.

Risiken bei Cannabiskonsum

Durch die Liberalisierung befürchtet der Chefarzt aber auch Nachteile, „weil der Zugang erleichtert wird. Dadurch sinken möglicherweise Hemmschwellen. Verfügbarkeit und soziale Akzeptanz können zu erhöhtem Konsum führen.“ Tatsächlich hat sich die Anzahl der Menschen, die sich aufgrund von Problemen mit dem Cannabisgebrauch an die ambulante Suchthilfe gewandt haben, seit der Jahrtausendwende nahezu verdreifacht, berichtet die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen. Im stationären Bereich registrierten Fachleute eine Verzehnfachung ebenfalls in diesem Zeitraum.

Menschen, die in Jugendjahren schon mit Drogen beginnen, seien stärker gefährdet – was den Umstieg von Cannabis auf härtere Substanzen angehe, aber auch hinsichtlich längerfristiger Schäden, so der Chefarzt. Erkenntnisse insbesondere der vergangenen Jahre besagen, dass Cannabiskonsum die Reifung des Gehirns beeinträchtigt: Dies kann sich auf die Konzentration auswirken oder die Fähigkeit zu planen. „Der Wirkstoff THC beeinflusst die Verschaltung im Gehirn und die Kommunikation der Nervenzellen“, so der Chefarzt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Dänemark haben herausgefunden, dass innerhalb von knapp 20 Jahren der THC-Gehalt in Cannabisprodukten von 13 auf 30 Prozent gestiegen ist. Vor allem hat eine umfangreiche Datenanalyse signifikante Hinweise darauf ergeben, dass sich insbesondere bei jüngeren Männern das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, durch Cannabiskonsum erhöht.

PD Dr. Alexander Diehl

Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik

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der Jugendlichen zwischen 16 und 17 Jahren in Deutschland haben in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis konsumiert.

Ist Cannabis schädlich?

Eine englische Studie kam zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen häufigem Gebrauch von Cannabis mit hohem THC-Gehalt und Psychose-Erkrankungen besteht. Der Chefarzt: „Unsere Erfahrung ist, dass Psychosen, die durch substanzgebundene Drogen ausgelöst werden, vom Verlauf her ungünstiger und schwieriger zu behandeln sind.“ Er verweist außerdem auf die Gefahr von Depressionen und extremer Antriebslosigkeit bei langjährigem, hohem Cannabiskonsum. Der Therapieansatz in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik kombiniere absolute Abstinenz, Medikamente, Ergo-, Gestaltungs- und Bewegungstherapie und vor allem den Schwerpunkt, Patientinnen und Patienten konsequent in Tagesstrukturen zu bringen. „Wenn Betroffene wieder Freude an Aktivitäten haben, ist schon viel erreicht.“

Und was entgegnet der Fachmann der Behauptung „Cannabis ist gesund“? Die medizinische Wirksamkeit von Cannabis gelte nur für einige Krankheitsbilder: Bei chronischen Schmerzen, bei multipler Skle­rose oder auch Tumoren: „Da gibt es einige Patientinnen und Patienten, die, wenn es medizinisch begründet ist und kontrolliert vergeben wird, davon profitieren können.“ In seinem Fachbereich allerdings sei eine Therapieunterstützung durch Cannabis nicht geeignet.

Hinsichtlich der Teillegalisierung von Cannabis gibt PD Dr. Diehl abschließend zu bedenken: „Was ist, wenn sich jemand am Wochenende zudröhnt? Die Substanz ist am Montag, wenn es wieder losgeht mit der Arbeit, noch nicht aus dem Körper verschwunden.“ Oder wenn jemand Maschinen bedienen müsse im Beruf? „Die Konsequenzen von Cannabiskonsum für den Arbeitsschutz hat die Politik im Vorfeld nicht wirklich bedacht.“

Nebenwirkungen bei Cannabiskonsum

Der Konsum von Cannabis wirkt auf den Körper – und zwar an ganz unterschiedlichen Stellen. Manche Effekte sind vorübergehend und weitestgehend harmlos, andere unangenehm und einige sogar gefährlich.

Gehirn

verminderte kognitive Leistungsfähigkeit, Gedächtnisschwäche, Schwindel

Magen

Hungergefühl, Brechanfälle

Herz

Herzrasen, Blutdruckabfall, Rhythmusstörungen

Hoden

gestörte Fruchtbarkeit

Mund

Trockenheitsgefühl, verwaschene Sprache

Augen

reduzierter Tränenfluss, gerötete Bindehäute, erweiterte Pupillen

Haut

niedrigere Temperatur = Kältegefühl

Informative Links

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