Therapie bei Bandscheibenvorfall
Stechender Rücken und schmerzhafte Ausstrahlungen in Arme oder Beine als Zeichen von Verschleiß: Ein Bandscheibenvorfall verursacht oft auch neurologische Ausfälle.
Autorin: Susanna Bauch
Schmerzen, neurologische Ausfälle, Taubheitsgefühle: Der Bandscheibenvorfall gehört zu den Volkskrankheiten. „Die Inzidenz der Erkrankung ist ziemlich hoch – von 100 000 Menschen erleiden 150 pro Jahr einen Bandscheibenvorfall“, sagt Prof. Dr. Klaus Zweckberger, Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik am Klinikum Braunschweig. Jeder fünfte Betroffene ist zudem jünger als 40 Jahre. „Dabei handelt es sich fast ausschließlich um eine degenerative Erkrankung, verursacht durch Verschleiß“, betont Alina Bernhardt, Oberärztin und kommissarische Bereichsleitung des Wirbelsäulenzentrums. Traumatisch bedingte Vorfälle seien eine Ausnahme.
Zwei Drittel der Ereignisse betreffen die Lendenwirbel-, rund ein Drittel die Halswirbelsäule. „Bei einem Bandscheibenvorfall entstehen Risse im sogenannten Faserring und Gewebe des Gallertkerns tritt aus. Dieses kann auf das Rückenmark oder auf die abgehenden Nervenwurzeln drücken und neurologische Ausfälle und starke Schmerzen verursachen. Häufig beklagen Betroffene Gefühlsstörungen, wie Kribbeln, ein Einschlafgefühl der Arme oder Beine oder sogar Lähmungen“, erläutert Prof. Dr. Zweckberger.
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Bandscheibe
Faserring
Gallertkern
Rückenmarkskanal
Nervenstränge
Nervenwurzel
Akutbehandlung der degenerativen Erkrankung
Die klinischen Symptome variieren je nach Lokalisation, Größe und Ausdehnung des Bandscheibenvorfalls. In der Akutbehandlung ist es wichtig, sogenannte „Red Flags“, die ein sofortiges Handeln erforderlich machen, zu erkennen. „Dazu zählen höhergradige Lähmungserscheinungen, eine Blasen- oder Mastdarmfunktionsstörung oder immobilisierende Schmerzen.“ In solchen Fällen sind eine rasche Diagnotik und bei Bestätigung eine operative Therapie notwendig. Als bildgebende Diagnostik und zum Ausschluss anderer Ursachen eignen sich laut Prof. Dr. Zweckberger vor allem die MRT. „Damit lassen sich der Bandscheibenvorfall, aber vor allem auch das Rückenmark und die Nervenwurzeln gut darstellen“, betont der Mediziner.
Ist die Diagnose gestellt – und sind „Red Flags“ ausgeschlossen –, beginnt die Therapie. Wenn es die Beschwerden der Patientinnen und Patienten erlauben, sollte diese zunächst konservativ erfolgen. „In der Akutphase arbeiten wir in erster Linie mit Schmerzmitteln, Injektionsbehandlungen und gezielter Physiotherapie“, erklärt der Experte. Damit erreicht man bei der Mehrzahl der Betroffenen gute Erfolge.
„Bleiben diese allerdings nach sechs Wochen aus, sollte der Bandscheibenvorfall – gemäß aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften – mikrochirurgisch entfernt werden“, so Prof. Dr. Zweckberger. Viele Patientinnen und Patienten scheuten diesen Eingriff und würden die konservative Behandlung lieber noch um Monate fortsetzen. „Aktuelle Studien aber zeigen eindeutig, dass das Gesamtergebnis nach einem dadurch verzögerten operativen Eingriff deutlich schlechter ist.“
Zwei Wochen schonen nach dem Eingriff
Eine Bandscheibenoperation ist ein minimalinvasiver, mikrochirurgischer Eingriff. „In die Stabilität der Wirbelsäule wird dabei kaum eingegriffen, eine Versteifung der Wirbelsäue ist sehr selten nötig“, betont Prof. Dr. Zweckberger. Es handele sich dabei um einen kleinen Eingriff, den die Neurochirurginnen und Neurochirurgen am Klinikum täglich mehrmals durchführen. „Ambulant wie in Amerika ist er bei uns allerdings nicht, zwei bis drei Tage werden die operierten Patientinnen und Patienten stationär aufgenommen“, sagt der Chefarzt. Das sei auch sinnvoll, um während des Klinikaufenthaltes Schulung und Einweisung durch Physiotherapeutinnen und -therapeuten zu gewährleisten.
Das vollständige Ausheilen des Bandscheibenvorfalls dauert. Nach zwei Wochen Schonung kann – unter fachlicher Anleitung – gezielt an der Stabilität der Wirbelsäule und der Stärkung von Bauch- und Rückenmuskulatur gearbeitet werden. „Richtig einsatzfähig unter voller Belastung sind die Patientinnen und Patienten nach rund drei Monaten. Die Bandscheibe lässt sich auch vorsorglich schützen. „Wichtige Präventionsparameter sind dabei Beweglichkeit und die Kräftigung der Bauch- und Rückenmuskulatur.“
Prof. Dr. Klaus Zweckberger
Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik
Alina Bernhardt
Oberärztin, kommissarische Bereichsleitung des Wirbelsäulenzentrums
Begünstigende Faktoren für einen Bandscheibenvorfall
- Bewegungsmangel
- Sitzende Tätigkeit
- Fehlhaltungen
- Fehlstellungen der Wirbelsäule (Skoliose)
- Familiäre Veranlagung
- Schwach ausgebildete Muskulatur
- Übergewicht
- Schwere körperliche Arbeit, Heben schwerer Gegenstände
- Verschleiß der Bandscheiben
- Sportarten mit ruckartigen Bewegungen
- Stress und psychische Belastungen oder Krankheiten
- Schwangerschaft
Wichtigstes Wirbelpolster
Die Bandscheibe wirkt wie ein Polster zwischen benachbarten Wirbelkörpern der Wirbelsäule. Sie besteht aus einem äußeren und einem inneren Gallertkern. Der äußere Ring besteht aus festem Faserknorpel und Kollagen. Der innere Gallertkern, der unter großem Druck steht, ist zellarm und weich. Bandscheiben dämpfen Stöße ab und unterstützen die Wirbelkörper in ihrer Bewegung. Diese Funktion der Bandscheiben nimmt etwa ab dem 30. Lebensjahr ab. Das ist die Folge eines natürlichen Alterungsprozesses, bei dem Festigkeit und Elastizität nachlassen. Bei zunehmender Belastung kann der Knorpel undicht werden und der gallertartige Kern der Bandscheibe kann sich bis in den Rückenmarkskanal vorwölben oder freie Vorfälle bilden. Man spricht dann von einem Bandscheibenvorfall. Ab etwa 50 bis 60 Jahren hat der Gallertkern all seine Flüssigkeit verloren, sodass in diesem Alter Vorfälle kaum noch vorkommen. Rückenschmerzen sind dann meistens die Folge von Abnutzungserscheinungen der Bandscheiben und der kleinen Wirbelgelenke.
Informative Links
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