Quälende Symptome

Eine Zwangsstörung belastet den Alltag

Unfreiwillige Wiederholungen – für Tausende Menschen gehört dies zum Alltag: Entscheidend für die Diagnose Zwangserkrankung ist der hohe individuelle Leidensdruck.

Autorin: Sabrina Mandel

Häufiges Händewaschen, wiederholte Kontrolle der Elektrogeräte oder Fenster im Haus: Menschen mit einer Zwangsstörung müssen ein und denselben Ablauf immer wieder ausführen. Unfreiwillig. Andere werden von bestimmten Ideen, Gedanken oder Bildern geplagt.

„Es gibt Kriterien für eine Zwangsstörung nach der internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten der WHO“, erläutert PD Dr. Alexander Diehl, Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Braunschweig. Um eine Störung handele es sich bei wiederkehrenden Impulsen, die die Betroffenen als sehr quälend und oft sinnlos empfinden. Auch wenn die Handlungen so stark ausgeprägt sind, dass sie den Alltag beeinflussen, sie etwa mehrere Stunden am Tag in Anspruch nehmen, spreche man von Zwangsstörung, so PD Dr. Diehl.

Zwischen Marotte und Störung unterscheiden

„Den meisten Erkrankten ist durchaus bewusst, dass ihre Handlungen nicht sinnvoll sind“, betont der Experte. Sie können diese Gewohnheiten jedoch nicht ohne Weiteres ablegen. Und auch „Widerstand“ ist zwecklos: „Der Versuch, sich gegen diesen Drang zu wehren, gelingt meist nicht oder führt sogar zu einer Zunahme der Gedanken und Impulse.“ Zwangsgedanken wiederum sind definiert als aufdringliche Ideen, Gedanken oder Bilder, die von den Betroffenen als unangenehm oder beängstigend empfunden werden, die aber nicht zu Handlungen auffordern. Sie betreffen oft Angst vor Krankheitserregern oder die Sorge, anderen Schaden zugefügt zu haben. Schätzungen des Psychiatrischen Berufsverbandes zufolge entwickeln etwa ein bis drei von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens eine Zwangserkrankung. „Man kann das bei einer wahrscheinlich hohen Dunkelziffer nicht genau beziffern, aber es betrifft viele Tausend Menschen“, so PD Dr. Diehl.

Die Unterscheidung zwischen Marotte und Störung ist wichtig, betont der Experte. „Überprüft man eine Tür nur einmal, ist das eher harmlos.“ Auch ein ausgeprägter Putzfimmel sei nicht pathologisch. Entscheidend für die Diagnose Zwangserkrankung sei vielmehr der hohe Leidensdruck und eine beeinträchtigte Alltagsfunktionalität.

PD Dr. Alexander Diehl

PD Dr. Alexander Diehl

Leiter der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik

Therapie bei Zwangsstörung: Gute Chancen

Es gibt unterschiedliche Ursachen, warum manche Menschen eine Zwangsstörung entwickeln. „Wir gehen davon aus, dass genetische Faktoren und eine gestörte Balance von Botenstoffen im Gehirn eine Rolle spielen“, erklärt PD Dr. Diehl. Aber auch ungünstige Lernerfahrungen, Stress und bestimmte Persönlichkeitsmerkmale können ursächlich sein. „Das Umfeld sowie zusätzliche persönliche Krisen können die Zwangssymptomatik triggern.“

Betroffen seien oft Menschen mit großem Sicherheitsbedürfnis, Gewissenhaftigkeit, Verantwortungs- und Schamgefühl. Eine Zwangsstörung ist oft chronisch. „Aber die positive Botschaft ist: Die quälende Störung ist gut zu behandeln“, betont der Experte. Neben der (Verhaltens-)Psychotherapie mit kognitivem Ansatz und auch praktischen Übungen werden Medikamente wie sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) eingesetzt. Diese helfen, die bei Zwangserkrankten gestörte Impulsweitergabe im Gehirn wieder ins Gleichgewicht zu bringen. „Wir sind hier am Klinikum bei dieser Diagnose und den Therapien sehr gut aufgestellt“, betont PD Dr. Diehl.

Worunter Betroffene leiden

  • Reinigungs- und Waschzwänge – wie ständiges Händewaschen oder Duschen
  • Kontrollzwänge – das wiederholte Kontrollieren von Türen, Fenstern oder elektronischen Geräten: Es kann dazu führen, gar nicht von zu Hause los und daher etwa verspätet zur Arbeit zu kommen
  • Wiederhol- und Zählzwänge – Betroffene zählen ständig etwa von 100 abwärts und können sich nicht auf aktuelle Anforderungen konzentrieren
  • Sammelzwänge – gleichartige Gegenstände wie etwa Zeitschriften werden gehortet, zudem wird viel Zeit mit Sortieren von Dingen verbracht
  • Ordnungszwänge – Dinge wie etwa Stift und Laptop müssen an exakt immer derselben Stelle auf dem Schreibtisch liegen
  • Berührzwänge – Betroffene berühren etwa beim Spazierengehen ständig Hauswände oder glätten ihren Hosenstoff stereotyp

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