So arbeitet das Institut für Arbeitsmedizin

Interview

Seit Kurzem leitet Dr. Helena Auber das Institut für Arbeitsmedizin, Arbeitssicherheit und Umwelt am Klinikum Braunschweig. Das Aufgabenspektrum ist groß: Als Ärztin will sie mit ihrem Team die Gesundheitsvorsorge für die Beschäftigten weiter ausbauen.

Interview: Prem Lata Gupta

Welche Aufgaben verbinden sich mit Ihrem Verantwortungsbereich?

Die Kurzversion lautet: Wir unterstützen die Führungsebene des Städtischen Klinikums Braunschweig – und zwar, indem wir Menschen, die hier arbeiten, vor seelischen und körperlichen Gefahren schützen und diese frühzeitig erkennen.

Was bedeutet das konkret?

In Bezug auf die Arbeitsmedizin haben wir es mit gesundheitlichen Problemen zu tun, Frühzeichen der Belastung, aber auch mit der Frage, ob jemand weiterhin einsatzfähig ist, ob der Arbeitsplatz angepasst werden muss. Alle Mitarbeitenden, die täglich Patientinnen und Patienten versorgen, genauso wie die anderen Beschäftigten des Hauses werden von unserem Team regelmäßig untersucht. Unsere Fachleute vom Arbeitsschutz machen Begehungen, um Gefahrenquellen zu identifizieren. Auch ergonomische Aspekte spielen eine Rolle: Wie lassen sich Erkrankte heben oder wenden, ohne sich dauerhaft Rückenschmerzen einzuhandeln? Die Fachleute für Umwelt am Institut sind zuständig für die sachgerechte, gesetzeskonforme Entsorgung von Injektionsnadeln, toxischen Substanzen, Abfällen aus OPs und Laboren sowie die dafür erforderliche Logistik.

Ist solch eine Abteilung oder ein Institut, wie Sie es leiten, gesetzlich vorgeschrieben?

Ja, die Arbeitsschutzgesetzgebung gilt für alle Unternehmen, manche Krankenhäuser aber setzen auf externe Dienstleister. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Belegschaft mit immer wechselnden Personen konfrontiert ist und sich dadurch möglicherweise kein Vertrauensverhältnis aufbaut. Ein festes Team wie hier in unserem Institut hat hingegen den Gesamtblick, trägt Informationen zusammen und tauscht sich regelmäßig aus. Nur so ist es möglich, Verbesserungsvorschläge zu entwickeln und auch die Geschäftsleitung dafür ins Boot zu holen.

Genießen Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit heute einen anderen Stellenwert als früher?

Absolut. Und ein Unternehmen wie das Klinikum, das systematisch in die Gesundheitsförderung investiert, hat bessere Chancen im Wettbewerb um Arbeitskräfte. Wir benötigen Pflegefachkräfte, Ärztinnen und Ärzte. Junge Angehörige der Generation Z, die sich aktuell auf einen Job bewerben, die interessiert: Welche Unterstützung bekomme ich bei diesem Unternehmen, auch wenn es mir einmal nicht so gut geht?

Sie haben als Ärztin auch für Unternehmen in der Industrie gearbeitet, nun sind Sie für Mitarbeitende in der Pflege zuständig. Was ist daran anders?

Pflegende sind den ganzen Tag für andere Menschen da – egal, was zu Hause gerade los ist, ob sie Kinder haben oder Eltern, um die sie sich kümmern. Pflegende müssen ihre persönlichen Themen zurückstellen, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Das ist emotional sehr herausfordernd, mehr noch als in vielen anderen Sektoren.

Pflegende – auch das spiegelt die öffentliche Diskussion – fühlen sich stark belastet. Wie können Sie da gegensteuern? Indem wir auch Zipperlein ernst nehmen und präventiv früh gegensteuern. Wir wollen unsere Lotsenfunktion nutzen und Mitarbeitende gezielt in schon vorhandene Gesundheitsangebote einschleusen – das gilt übrigens auch für emotionale Krisen –, bevor es zu langen oder dauerhaften Krankschreibungen kommt.

Es ist zum Beispiel wenig bekannt, dass eine stufenweise Wiedereingliederung, auch Hamburger Modell genannt, wesentlich früher möglich ist, als es üblicherweise praktiziert wird. Auf diese Weise lässt sich Arbeitszeit reduzieren und die Betroffenen haben trotzdem die Möglichkeit, etwa Therapietermine wahrzunehmen. Niemand ist gern krank. Jeder Tag, an dem ich nicht zur Arbeit gehe, nagt am Selbstverständnis – an meiner Selbstwirksamkeit. Man entfernt sich von seinen Aufgaben, ist raus aus seinem Team.

Welche Pläne schmieden Sie außerdem für das Institut für Arbeitsmedizin?

Ich würde gern Screenings für die Beschäftigten etablieren. Bei einem Konzern, für den ich vorher tätig war, habe ich Tests und gezielte Informationen zum Thema Darmgesundheit mitinitiiert – ein Projekt mit einer sehr hohen Teilnahme- und Rücklaufquote. Auch planen wir Kooperationen mit Kostenträgern wie der Rentenversicherung, um Gesundheitsförderung durch speziell für Pflegefachkräfte konzipierte Programme zu betreiben. Was diese Berufsgruppe angeht, sehen wir Bedarfe bei Muskel- und Skelettproblemen, auch bei psychologischen Fragestellungen. Präventionsangebote müssen aus meiner Sicht früh greifen, am besten geschieht dies arbeitsplatzbegleitend.

Kommen diese Überzeugung und die verbesserten Angebote auch bei der Belegschaft an? Wie kommuniziert man das?

Durch Präsenz, durch persönliche Begegnungen vor Ort mit den Beschäftigten. Erfolgsmeldungen sprechen sich herum. Wenn Mitarbeitende erfahren, dass es nicht egal ist, wie es ihnen geht, dann kann man viel gewinnen.

Zur Person

Dr. Helena Auber (49) begann ihre ärztliche Laufbahn am Universitätsklinikum Regensburg. Seit 2008 ist sie Fachärztin für Allgemeinmedizin und seit 2011 Fachärztin für Arbeitsmedizin. Auf diesem Gebiet hatte sie bereits 2009 im medizinischen Dienst bei Airbus Hamburg-Finkenwerder gearbeitet. Seit 2013 bis zum Wechsel ans Klinikum Braunschweig leitete sie den Betriebsärztlichen Dienst der ExxonMobil GmbH Deutschland, Rumänien, Kasachstan und Polen. Das Team des Instituts für Arbeitsmedizin, Arbeitssicherheit und Umwelt hat 25 Mitarbeitende. Zu ihnen gehören auch Fachleute im Sozialdienst und vom Deeskalationsmanagement.

Dr. Helena Auber

Leitung des Instituts für Arbeitsmedizin, Arbeitssicherheit und Umwelt

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