Manche Patientinnen und Patienten werden überwiesen oder von einem anderen Krankenhaus geschickt, weil bereits ein Hirntumor vermutet worden ist. Andere kommen als Notfall mit einem neurologischen Defizit wie einer halbseitigen Lähmung, einer Seh- oder Sprachstörung. Was an einen Schlaganfall denken lässt, kann sich bei genauerer Untersuchung als etwas anderes herausstellen: als ein Gehirntumor oder eine Metastase, also eine Absiedelung einer Krebserkrankung anderer Organe in das Gehirn.
Gerade weil die Fallzahlen steigen, weil die Expertise hoch und die notwendige hochmoderne Ausstattung vorhanden ist, haben die Kliniken für Neurologie und Neurochirurgie die Zertifizierung eines Neuroonkologischen Zentrums am Klinikum Braunschweig vorangetrieben.
Schlaganfall oder Tumor? PD Dr. Annette Spreer nutzt für die Diagnosestellung modernste bildgebende Verfahren.
OnkoZert: Klinikum Braunschweig erhält viele Auflagen
An der Spitze dieses neuen Zentrums stehen Prof. Dr. Klaus Zweckberger und PD Dr. Annette Spreer. Sie erläutern die Gründe, warum die Zertifizierung als sichtbares Qualitätsmerkmal so wichtig ist. „Bei onkologischen Patientinnen und Patienten lassen sich an Zentren bessere Behandlungsergebnisse erzielen“, betont der Chefarzt der Neurochirurgie. Seine Kollegin PD Dr. Spreer, Chefärztin der Neurologie, ergänzt: „Menschen mit Tumorerkrankungen müssen schnell und gut versorgt sein.“
Die Maßgaben von OnkoZert – eine unabhängige Institution, die für die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) tätig ist – für ein zertifiziertes Neuroonkologisches Zentrum sind umfangreich. Neben den beiden Fachdisziplinen Neurologie und Neurochirurgie braucht es vor Ort Kooperationspartner wie Neuroradiologie, Onkologie, Strahlentherapie, Neuropathologie sowie nicht ärztliche Fachleute aus Psychoonkologie, onkologischer Fachpflege, Physiotherapie und Sozialdienst. Wer überwiesen wird, erhält einen Termin in der Sprechstunde binnen 14 Tagen. Und dort liegt die Wartezeit unter einer Stunde – für Hilfe suchende Patientinnen und Patienten sind dies spürbare Erleichterungen. Prof. Dr. Klaus Zweckberger betont: „Es findet auf jeden Fall eine leitliniengerechte Behandlung statt. Sie basiert auf dem neuesten wissenschaftlichen Kenntnisstand. So können wir die bestmögliche Therapie ansetzen.“
OP als Grundlage für Therapieerfolg
Kleine gutartige Tumoren, beispielsweise Meningeome, lassen sich oftmals zunächst beobachten, anders verhält es sich bei hirneigenen Tumoren oder bei einzelnen Metastasen: Kann ein Tumor oder eine Metastase entfernt werden, hat dies einen positiven Effekt auf das Überleben und die Prognose von Patientinnen und Patienten. Allein im vergangenen Jahr wurden durch die Neurochirurgie am Klinikum Braunschweig 182 sogenannte primäre Hirntumoren – sie gehen vom Gewebe des Gehirns oder der Hirnhäute aus – operativ behandelt. Etwa 150-mal wurden Hirnmetastasen entfernt.
PD Dr. Annette Spreer weist darauf hin, dass die Neuromedizin immer weiter an Bedeutung gewinnt. „Die Menschen haben in den vergangenen 100 Jahren etwa 20 Jahre an Lebenserwartung dazugewonnen. Im Alter erleiden sie mehr Schlaganfälle, mehr neurodegenerative Erkrankungen und auch mehr Krebserkrankungen.“ An der Behandlung der neuroonkologischen Patientinnen und Patienten sind die unterschiedlichen Fachdisziplinen durch wöchentliche Tumorkonferenzen vor und während der Therapie beteiligt. In der neuropathologischen Gewebeuntersuchung kooperiert das Klinikum auch mit dem Universitätsklinikum der Charité in Berlin – denn eine passgenaue Therapie hängt stark von der Molekulargenetik des Tumors ab.
Prof. Dr. Klaus Zweckberger hebt die gute technische Ausstattung im OP des Klinikums Braunschweig hervor: „Wir haben viel investiert. Wir arbeiten mit den modernsten Mikroskopen und Navigationssystemen, die es uns erlauben, nicht nur die Tumoransicht, sondern sogar MRT-Bilder in das Mikroskop der Operateurin oder des Operateurs einzuspielen. Darüber hinaus verwenden wir Fluoreszenztechniken, die den Tumor farbig leuchten lassen. Besonders wichtig ist zudem das intraoperative Neuromonitoring, mit dem während einer Operation die Funktion einzelner Hirnnerven, aber auch der sensorischen oder motorischen Bahnsysteme überwacht werden können.“
Neben einem ausgezeichneten Equipment spielt für die Zertifizierung auch die Qualifikation der Operateurinnen und Operateure eine entscheidende Rolle: Es müssen erfahrene Neurochirurginnen und -chirurgen sein, die mindestens 25 primäre Hirntumoren pro Jahr operieren und die aktuellen Techniken beherrschen. So lautet die Mindestvorgabe der DKG. Im Klinikum Braunschweig werden pro Jahr knapp 200 primäre Hirntumoren operiert.
PD Dr. Annette Spreer, Chefärztin der Neurologie, und Prof. Dr. Klaus Zweckberger, Chefarzt der Neurochirurgie, bei einer Befundbesprechung.
Prof. Dr. Klaus Zweckberger
Chefarzt der Neurochirurgie und Leiter des Neuroonkologischen Zentrums
Neuromedizin als Wachstumsfeld
Die zunehmend enge Zusammenarbeit von Neurologie und Neurochirurgie beinhaltet, dass die beiden Fachrichtungen nicht nur bei der Diagnose Hirntumor, sondern auch bei neurovaskulären Diagnosen wie Schlaganfällen, Gefäßmissbildungen im Kopf und Aneurysmen einen gemeinsamen Schwerpunkt geschaffen haben.
PD Dr. Annette Spreer bezieht ausdrücklich noch die Neuroradiologie ein: „Die Neuromedizin ist ein Wachstumsfeld, in dem es jährlich neue therapeutische Entwicklungen gibt. Eine Fachdisziplin allein kann nicht alles abdecken. Aber zusammen können wir exzellent sein.“
Nützliche Links
Sie wünschen sich mehr Infos zum Thema Hirntumor und über Therapiemöglichkeiten am skbs? Lesen Sie diese Artikel aus weiteren Ausgaben unseres PULS-Magazins:
- Aus der Radioonkologie: Krebstherapie am Klinikum Braunschweig
- Patientenreportage aus der Neurochirurgie: Wach-Operation am Gehirn
- Patientenstory „Mein neuer Anfang“: Diagnose Hirntumor
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