Sport bei Krebs Aufgeben ist keine Option
Mit Sport zurück ins Leben: Leistungssportlerin und Brustkrebspatientin Miriam Paurat hat ihr Unternehmen Mirigo gegründet, um Betroffenen mit Aktivität Mut zu machen.
Autorin: Susanna Bauch
„Laufen ist mein Ventil“, sagt Miriam Paurat.
Bewegung als Krebsprävention
„Körperliche Aktivität ist ein wichtiger Faktor in der Prävention von Krebserkrankungen“, betont Dr. Tina Siegmund, Oberärztin der Senologie am Klinikum Braunschweig. Die integrative Onkologie beziehungsweise Komplementärmedizin, also ergänzende Verfahren zusätzlich zur konventionellen Medizin, ist somit ein ganzheitlicher Ansatz bei der Behandlung und steht dabei immer stärker im Fokus. Dies zeigt sich sogar in den Leitlinien. Empfohlen sind ein Ausdauertraining von 150 Minuten bei moderater Intensität oder 75 Minuten bei hoher Intensität pro Woche, alternativ auch eine gleichwertige Kombination aus beidem und zusätzlich Krafttraining an mindestens zwei Tagen pro Woche.
Wichtig sei zu vermitteln, wie und warum sportliche Aktivitäten stärkend wirken. Es habe sich gezeigt, dass Sport etwa zu einer gesteigerten Immunabwehr führt, das Hormonsystem beeinflusst und das Zellwachstum reguliert.
„Bewegung ist ein wichtiges Werkzeug, um einer Krebserkrankung vorzubeugen, Therapien zu ergänzen und die Genesung zu fördern. Es ist ständig verfügbar, selbst durchführbar und verursacht wenig Kosten“, so Dr. Siegmund.
Ihre Laufkarriere hat sie eigentlich erst im Alter von 40 Jahren begonnen. Miriam Paurat ist schon immer gern in Bewegung gewesen, auch das Laufen hat ihr Spaß gemacht. Aber exzessiv – das hat erst begonnen, nachdem die beiden Kinder sozusagen „durch“ waren. Zehn Jahre später, mit 50, ist Miriam Paurat längst eine Ausnahmesportlerin: Weltmeisterin in ihrer Altersklasse 2019 über zehn Kilometer, 2020 Europameisterin ebenfalls über die Distanz von zehn Kilometern sowie über die Halbmarathonstrecke, zudem Europameisterin im Jahr 2022 über 1500 Meter indoor. Und jede Menge Medaillen – Gold, Silber, Bronze.
Vor knapp zwei Jahren dann die Nachricht: Brustkrebs. Sie hatte den Knoten selbst getastet. Als sie die Nachricht vom Befund erreichte, war sie auf dem Weg zu einem Sportgroßereignis: „Ich wollte gerade ins Flugzeug nach Portugal zu einem Wettkampf steigen.“ Das hat Miriam Paurat trotz der Diagnose auch gemacht. Nahm erfolgreich am Wettbewerb teil und wurde Europameisterin – mit ihrer Brustkrebsdiagnose.
Die kleine, zierliche und durchtrainierte Frau hat ihren Befund schnell angenommen. Meistens jedenfalls, denn Ängste und körperliche Schwächen setzten ihr schon zu. Nach der Operation folgte die medikamentöse Therapie, eine Chemotherapie war nicht nötig, eine Bestrahlung kam bei der extrem schmalen Frau nicht infrage. Sie wollte möglichst schnell wieder auf die Beine. „Ich habe damals mein Studium der Ostasienwissenschaften zurückgestellt wegen der Kinder, aber mein Mann Hans hat immer gesagt: Deine Zeit kommt noch.“ Als Trainer unterstützt Hans Paurat seine Frau täglich ganz aktiv. Denn ganz selbstverständlich ist die quirlige Patientin schon wieder sportlich unterwegs an ihrem Wohnort unweit von Goslar. „Laufen ist mein Ventil.“ Und sie ist fest davon überzeugt, dass die Bewegung hilft gegen den Krebs und bei der Heilung. Die zuversichtliche Frau ist mittlerweile nicht nur Sportwissenschaftlerin, Krebsbetroffene und Leistungssportlerin, sondern auch OAC-Trainerin. OAC bedeutet Outdoor Against Cancer – eine international tätige Nichtregierungsorganisation, die Gesundheit zu ihrer Mission gemacht hat, indem sie die vier Säulen eines gesunden Lebensstils fördert: körperliche Aktivität und Outdoorsport, ausgewogene Ernährung, Nachhaltigkeit und Natur sowie körperliches und mentales Wohlbefinden.
Oberärztin Dr. Tina Siegmund: Leitlinien zur Brustkrebstherapie empfehlen auch Sport.
Miriam Paurat: Trainerin für andere Krebs-Betroffene
Mirigo heißt die Website zu ihrer neu gegründeten Firma, die Miriam Paurat in ihrem Büro zu Hause koordiniert, „das kommt von Miriam und go – also kraftvoll vorwärts“. Die 50-Jährige bereitet ihre professionelle Selbstständigkeit vor, plant und koordiniert Kurse und Informationsveranstaltungen, Seminare und Vorträge zum Thema. Die Kurse können online gebucht werden. Paurat will sich aber nicht auf virtuelle Kurse beschränken, sondern als Trainerin auch persönlich für die Betroffenen da sein. Mit einer Klinik in Goslar ist sie bereits in Kontakt, genau wie mit dem Klinikum Braunschweig. „Ich möchte andere Betroffene anspornen und ihnen helfen. Und vor allem diejenigen erreichen, deren unmittelbarer Fokus nach so einer schweren Erkrankung nicht automatisch auf einem Outdoor- oder Sportprogramm liegt.“
Miriam Paurat
Die 50-Jährige will nicht nur Onlinekurse geben, sondern Patientinnen auch persönlich betreuen.
Bewegung als Krebsprävention
„Körperliche Aktivität ist ein wichtiger Faktor in der Prävention von Krebserkrankungen“, betont Dr. Tina Siegmund, Oberärztin der Senologie am Klinikum Braunschweig. Die integrative Onkologie beziehungsweise Komplementärmedizin, also ergänzende Verfahren zusätzlich zur konventionellen Medizin, ist somit ein ganzheitlicher Ansatz bei der Behandlung und steht dabei immer stärker im Fokus. Dies zeigt sich sogar in den Leitlinien. Empfohlen sind ein Ausdauertraining von 150 Minuten bei moderater Intensität oder 75 Minuten bei hoher Intensität pro Woche, alternativ auch eine gleichwertige Kombination aus beidem und zusätzlich Krafttraining an mindestens zwei Tagen pro Woche.
Wichtig sei zu vermitteln, wie und warum sportliche Aktivitäten stärkend wirken. Es habe sich gezeigt, dass Sport etwa zu einer gesteigerten Immunabwehr führt, das Hormonsystem beeinflusst und das Zellwachstum reguliert.
„Bewegung ist ein wichtiges Werkzeug, um einer Krebserkrankung vorzubeugen, Therapien zu ergänzen und die Genesung zu fördern. Es ist ständig verfügbar, selbst durchführbar und verursacht wenig Kosten“, so Dr. Siegmund.
Die Zusammenarbeit mit den Fachleuten im Brustkrebszentrum ist Miriam Paurat wichtig.
Outdoor Against Cancer: Mut machen als neue Mission
Unterstützung bekommt sie nicht nur von ihrer Familie sowie ihren Freundinnen und Freunden, sondern auch von Dr. Tina Siegmund, Oberärztin im Brustzentrum des Klinikums Braunschweig, in dem Miriam Paurat behandelt wird. Gemeinsam haben die beiden Frauen im Sommer den ersten Tag der offenen Tür in der Senologie organisiert. Aktuelle Studien würden belegen, dass es zusätzlich zur hoch qualifizierten medizinischen Behandlung auch weiterer Maßnahmen bedürfe, um die Heilungschancen zu erhöhen, sagt auch die Medizinerin.
„Jetzt, da ich selbst in der Krebstherapie bin, möchte ich ein Vorbild für Betroffene sein und meine Erfahrung nutzen. Meine neue Mission ist es, Menschen mit Krebs Mut zu machen und mit ihnen gemeinsam durch Aufklärung und Bewegung aktiv gegen die Nebenwirkungen der Krebstherapie anzugehen und die Heilungschancen zu optimieren. Aufgeben ist keine Option!“ Sie ist zielstrebig und zuversichtlich, aber Miriam Paurat kennt auch schwache Momente. „Immer stark zu sein, funktioniert nicht. Aber ich habe immer alles hinterfragt, um für mich den bestmöglichen Weg zu finden – das hilft.“ Und der liegt nach wie vor im Laufen. Rund zwei Stunden trainiert sie am Tag.
Mit ihren Erfolgen, dem Sportwissenschaftsstudium und jetzt der Selbstständigkeit hat Miriam Paurat ihr ursprüngliches Hobby zunächst zur Leistungsleidenschaft und nun zum Beruf gemacht. Mit Unterstützung ihres Mannes. Der sagt: „Von oben hat da wohl jemand gemerkt, dass sie stark genug ist, anderen zu zeigen, was geht.“
Ganz praktisch gehören zu Miriam Paurats Outdoortraining Kräftigungs-, Entspannungs- und Stabilitätsübungen. „Der ganze Körper soll involviert sein – in dem Maße, wie jede kann“, betont sie. Es gehe nicht um Wettkampf, sondern um „Spaß beim Quälen“. Miriam Paurat lacht herzlich, wie so oft. Sie ist fest überzeugt davon, dass (ihre) Aktivität die Heilungschancen erhöht. „Und jedes Leben zählt.“