Rückblick Klinikum Holwedestrasse

Die Geschichte des Krankenhauses Holwedestraße Braunschweig ist eine 120 Jahre währende Erfolgsstory. Ende des Jahres schließt der Standort seine Pforten.

Autorin: Susanna Bauch

Bis Anfang 2024 schließt der Klinikstandort Holwedestraße.

Platz für Wohnen

Den Zweiten Weltkrieg hat der Klinikstandort Holwedestraße gut überstanden. Nach und nach zogen verschiedene Fachrichtungen in die Bestandsgebäude und dazugehörige Neubauten, darunter die Unfallchirurgie, die HNO-Klinik und das Wirbelsäulenzentrum. Anfang 2024 soll der Auszug aller Abteilungen abgeschlossen sein. Auf dem Gelände an der Oker sollen dann rund 300 Wohnungen entstehen.

Die Holwedestraße ist eine Braunschweiger Institution.“ Das hat der frühere Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann zum 100-jährigen Bestehen des Krankenhausstandorts vor 20 Jahren gesagt. Und es gilt bis heute – obwohl nun Stück für Stück Abschied genommen werden muss von der traditionsreichen Einrichtung. Anfang 2024 ziehen die noch verbliebenen Kliniken an den Standort Salzdahlumer Straße.

Die Geschichte des historischen Gebäudes reicht bis ins Jahr 1838 zurück. Sie begann mit dem Bau eines Pflegeheims. Den Ausschlag für die weitere Entwicklung allerdings gab die von der Stadt finanzierte Errichtung eines Kinderheims im Jahr 1903. Erst im Anschluss entwickelte sich aus diesem städtischen Kinderheim nach und nach das Krankenhaus Holwedestraße, das 1927 bereits 304 Patientinnen und Patienten aufnehmen konnte. Es ist viel passiert in mittlerweile 120 Jahren – medizinisch und sozialgeschichtlich. In den Anfängen wurden Patientinnen und Patienten nach dem Geschlecht und nicht nach medizinischen Aspekten getrennt. „In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mussten Ärzte und Schwestern unter teilweise katastrophalen räumlichen Bedingungen arbeiten“, betont Prof. Dr. Günter Mau, ehemals Ärztlicher Direktor des Städtischen Klinikums Braunschweig sowie Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin.

Zum altehrwürdigen Klinikgebäude kam in den 1970er-Jahren die Unfallchirurgie hinzu.

Eröffnung des SPZ Braunschweig

Der mittlerweile 84-Jährige hat seine Arbeit an der Holwedestraße im Jahr 1981 aufgenommen – zu Beginn seiner Zeit etwa wurde das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ Braunschweig) eröffnet. „Kinder mit Behinderungen waren damals in der Stadt einfach nicht optimal versorgt.“ Prof. Dr. Mau berichtet zudem von drastischen Rückgängen bei den Geburtenzahlen, aber auch den Liegezeiten in der Klinik. „Damals blieben die Patientinnen und Patienten im Durchschnitt 14 Tage, heute sind es wenige Tage.“

Der ehemalige Chef der Kinderklinik, der sich 2004 in den Ruhestand verabschiedete, erinnert sich an Zeiten, in denen die Holwedestraße in der Region die einzige Anlaufstelle für Frühgeborene war – und an viele vor allem bauliche Kompromisse am Standort. „Die Strukturen im Haus waren alt, beengt und dysfunktional.“ Zudem habe es auch innerhalb der Klinik stets weite Wege gegeben. „So etwas wie Schrittzähler haben wir nicht gebraucht, wir hatten mit Leichtigkeit ein paar Kilometer Strecke am Tag.“ Die Klinik sei nicht die größte gewesen, aber dafür Tag und Nacht für die pädiatrischen und chirurgischen Patientinnen und Patienten erreichbar – eine Institution eben.

Platz für Wohnen

Den Zweiten Weltkrieg hat der Klinikstandort Holwedestraße gut überstanden. Nach und nach zogen verschiedene Fachrichtungen in die Bestandsgebäude und dazugehörige Neubauten, darunter die Unfallchirurgie, die HNO-Klinik und das Wirbelsäulenzentrum. Anfang 2024 soll der Auszug aller Abteilungen abgeschlossen sein. Auf dem Gelände an der Oker sollen dann rund 300 Wohnungen entstehen.

Medizinfortschritt am Standort Holwedestraße

Auch wenn Prof. Dr. Mau lange in erster Linie für Kinder und Jugendliche da gewesen ist, hebt er den Stellenwert der anderen Abteilungen an der Holwedestraße hervor. „Unfallchirurgie, Anästhesie, HNO-Abteilung – wir waren alle sehr eng und persönlich miteinander damals.“ Der ehemalige Ärztliche Direktor erzählt vom Ende der 1980er-Jahre, „der Stunde der Bildgebung, CT, MRT – so vieles war plötzlich möglich“. Allerdings sei es auch nicht immer einfach gewesen, das Geld für solche Innovationen zu bekommen. „Heute haben sich ja alle längst an die Kosten gewöhnt, damals bedeuteten Neuanschaffungen maximalen Kampf mit den Kostenträgern.“

Der Mediziner sprüht nur so vor Energie, wenn er über die alten Zeiten an der Holwedestraße spricht. „Ein medizinischer Fortschritt war die Entwicklung von Kortisonpräparaten in den 1960er-Jahren. Das war buchstäblich Behandlungsgold, ein Riesenschritt für die Versorgung der Patientinnen und Patienten.“

Prof. Dr. Mau erzählt vom Einsatz von Antibiotika, experimentell vorangetriebenen OP-Methoden und der Entwicklung passgenauer Zytostatika für die Onkologie. „Es gab damals noch keine Intensivstation für Kinder, sie starben etwa viel schneller an einer Leukämie.“ Das Verhältnis zum Tod sei in seinen ersten Berufsjahren ein anderes gewesen. „Wir mussten manchmal drei bis vier Frühgeborene pro Nacht beerdigen. Heute gibt es Fachärztinnen und -ärzte, die noch kein Sterbegespräch führen mussten.“

Prof. Dr. Mau ist davon überzeugt, dass manche Probleme immer wiederkommen: „Pflegenotstand gab es schon Ende der 1980er-Jahre.“ Er begrüßt, dass mittlerweile ein anderer Ton in den Kliniken herrscht als früher. „Die Dreieckskommunikation – Ärztin/Arzt, Patientin/Patient, Pflege – ist ein großer Gewinn.“

Dass „sein“ Standort jetzt bald schließt, ist für Prof. Mau emotional einschneidend, aber folgerichtig. „Die Zeit ist reif für neue Leute und neue Konzepte; weg von kleinen Kliniken, die alle dasselbe machen, hin zu Spezialisierung.“

Prof. Dr. Günter Mau
ehemaliger Ärztlicher Direktor des Klinikums Braunschweig

Prof. Dr. Günter Mau
ehemaliger Ärztlicher Direktor des Klinikums Braunschweig

2023-06-01T09:02:17+02:00
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