Brustre­konstruktion nach Brustkrebs Senologisch-plastisches Zentrum

Brustkrebs als Diagnose ist traumatisch für Betroffene. Alle wünschen sich eine erfolgreiche Behandlung der Krankheit, manche wollen auch ihre weiblichen Formen zurück. Dies ist Aufgabe der Fachleute im neu gegründeten Senologisch-plastischen Zentrum im Klinikum Braunschweig.

Autorin: Prem Lata Gupta

Teampower: Evagelia Tsaknaki (links), Leitende Abteilungsärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie, und Oberärztin Dr. Tina Siegmund, Leiterin der Senologie, beraten betroffene Frauen rund ums Thema Brustwiederaufbau.

Expertise nicht nur bei Brustkrebs

Etwa 400-mal pro Jahr wird am Klinikum Braunschweig die Diagnose Brustkrebs gestellt, Männer sind sehr selten betroffen. Das Senologisch-plastische Zentrum ist aber nicht nur für diese Patientinnen ein wichtiger Bezugspunkt. Hier stellen sich auch Menschen vor, die beispielsweise unter dem Poland-Syndrom leiden, einer Fehlbildung von Brustdrüse und Brustmuskel, die beide Geschlechter betreffen kann. Auch bei anderen Anomalien und Asymmetrien wie beispielsweise der tubulären Brust – sie hat ein- oder beidseitig eine schlauchartige Form – kann die plastische Chirurgie korrigierend eingreifen. Sollen Brüste beispielsweise aus ästhetischen Gründen gestrafft oder vergrößert werden, ist das Senologisch-plastische Zentrum ebenfalls die richtige Adresse. Interessierte können das Zentrum am 11. Oktober 2023, 14 bis 18 Uhr, bei einem Tag der offenen Tür besuchen.

Die Patientin ist Mitte fünfzig, ihr Oberkörper frei. Die Brüste wirken nicht komplett identisch, links ist die Oberfläche noch glatt: Dort wurde aus dem Schultermuskel nach überstandener Krebs-OP eine neue Brust geformt. Rechts sieht der Busen nach einem angleichenden Eingriff aus wie der einer jungen Frau. Heute geht es nochmals um die linke Seite. „Ich möchte wieder eine Brustwarze haben“, sagt die Patientin. Oberärztin Dr. Tina Siegmund, Leiterin der Senologie (Lehre von der weiblichen Brust), erklärt: „Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder formen wir Brustwarze und Warzenhof aus der Haut der Oberschenkelinnenseite, da diese Haut per se dunkler pigmentiert ist. Oder wir rekonstruieren aus der vorhandenen Haut eine Brustwarze und tätowieren den Warzenhof.“

Dr. Siegmund führt die Sprechstunde. Ebenfalls anwesend ist Georgios Tamouridis, Leitender Abteilungsarzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Dieser ergänzt: „Für die Rekonstruktion der Brustwarze nach der zweiten Variante brauchen Sie keine Vollnarkose. Aber wir behalten Sie einen Tag hier, das ist wichtig, um die Durchblutung des Gewebes zu kontrollieren.“

OP-Technik: Vor dem Eingriff werden die Einzelschritte geplant.

Brusterhaltende OP: Wie ausgedehnt ist der Tumor?

Etwa drei Viertel der Brustkrebspatientinnen können inzwischen brusterhaltend operiert werden. „Ausschlaggebend ist neben der Ausdehnung des Tumors auch seine Größe im Verhältnis zur Brust“, erklärt Dr. Siegmund. Dabei gibt es kleinere Eingriffe, wobei nur ein kleiner Schnitt über dem Tumor notwendig ist, oder onkoplastische Operationen, bei denen man plastische Operationstechniken nutzt, um den Tumor großzügig entfernen zu können und danach aus dem Restgewebe wieder eine Brust zu formen. Wenn nicht brusterhaltend operiert werden kann, kämen zwei Möglichkeiten in Betracht, erläutert die Expertin: eine vollständige Entfernung des Brustgewebes bei Erhaltung des Hautmantels und Einlage eines Implantats, um die Form der Brust zu bewahren. Wenn gewünscht, kann dieses Implantat später entfernt und eine Rekonstruktion mittels Eigengewebe durchgeführt werden. Oder die Brust werde einschließlich der umgebenden Haut entfernt. Für einen Aufbau zu einem späteren Zeitpunkt lasse sich Eigengewebe beispielsweise von Bauch oder Gesäß verwenden.

Dr. Tina Siegmund und Evagelia Tsaknaki, Leitende Abteilungsärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie, legen Wert darauf, dass im Senologisch-plastischen Zentrum am Standort Celler Straße eine interdisziplinäre Beratung stattfindet – damit den Frauen alle Möglichkeiten der Rekonstruktion erklärt werden und damit bereits bei der Krebsoperation die Schnittführung so ausfällt, dass der spätere Brustwiederaufbau möglichst optimal gelingt.

Unterschiedliche Beweggründe für die Brustrekonstruktion

Evagelia Tsaknaki weiß aus ihrer langjährigen Tätigkeit in der plastischen und ästhetischen Chirurgie, dass es in erster Linie Frauen unter 65 Jahre sind, die eine Brustrekonstruktion wünschen. Aber sie hat auch schon älteren Patientinnen wieder zu weiblichen Formen verholfen. Beweggründe für diesen Schritt kennt sie genug: „Die Patientinnen wollen sich als Frau fühlen. Sie haben noch ein Sexualleben. Und sie wollen nicht bei jedem Blick in den Spiegel schmerzhaft an die Krankheit erinnert werden.“

Beide Ärztinnen raten dazu, bedacht vorzugehen. Auch wenn an anderen Kliniken manchmal die Krebsoperation direkt mit einer Rekonstruktion oder einer Angleichungsoperation verknüpft wird, steht aus ihrer Sicht die onkologische Sicherheit stets im Vordergrund. Erst nach Erhalt des pathologischen Befundes und somit Kenntnis über die komplette Tumorentfernung sollte rekonstruiert werden. Auch Bestrahlungen, die zumeist nach der Krebs-OP noch nötig sind, können Haut und Gewebe verändern. Entfernung des Tumors, Rekonstruktion der vormals erkrankten Brust, Angleichung der Gegenseite, Formung einer neuen Brustwarze, dazwischen liegen Abstände von jeweils sechs Monaten bis zu einem Jahr.

Ein Senologisch-plastisches Zentrum mit einem festen Team, zu dem idealerweise auch ein Spezialist oder eine Spezialistin für Mikrochirurgie gehört, sei vorteilhaft für die Patientinnen, so Evagelia Tsaknaki: „Wegen der interdisziplinären Expertise und OP-Planung, weil die Frauen alle Fachleute an einem Ort aufsuchen können und weil die gewünschten Maßnahmen in enger Abstimmung erfolgen.“

Das Für und Wider abwägen: Dr. Tina Siegmund erläutert einer Patientin die Brustrekonstruktion.

Expertise nicht nur bei Brustkrebs

Etwa 400-mal pro Jahr wird am Klinikum Braunschweig die Diagnose Brustkrebs gestellt, Männer sind sehr selten betroffen. Das Senologisch-plastische Zentrum ist aber nicht nur für diese Patientinnen ein wichtiger Bezugspunkt. Hier stellen sich auch Menschen vor, die beispielsweise unter dem Poland-Syndrom leiden, einer Fehlbildung von Brustdrüse und Brustmuskel, die beide Geschlechter betreffen kann. Auch bei anderen Anomalien und Asymmetrien wie beispielsweise der tubulären Brust – sie hat ein- oder beidseitig eine schlauchartige Form – kann die plastische Chirurgie korrigierend eingreifen. Sollen Brüste beispielsweise aus ästhetischen Gründen gestrafft oder vergrößert werden, ist das Senologisch-plastische Zentrum ebenfalls die richtige Adresse. Interessierte können das Zentrum am 11. Oktober 2023, 14 bis 18 Uhr, bei einem Tag der offenen Tür besuchen.

Brustwiederaufbau mit Implantat oder Eigengewebe

Jedes Verfahren, um eine Brust wiederaufzubauen oder sie in Form zu bringen, hat Vor- und Nachteile. „Heutige Implantate haben eine hohe Qualität und sie müssen auch nicht – so war früher die Regel – zwangsläufig nach zehn Jahren entnommen beziehungsweise ausgetauscht werden“, betont Evagelia Tsaknaki. Ein Implantat sei eine einfache, schnelle Methode, eine Brust zu rekonstruieren. Mit regelmäßigen Ultraschalluntersuchungen wird in der Folgezeit kontrolliert, ob die Prothese intakt ist. Beide Ärztinnen weisen darauf hin, dass ein Implantat immer ein Fremdkörper ist. Eine Rekonstruktion mit Eigengewebe sei insofern für den Organismus verträglicher. Bei Frauen, die sehr wenig wiegen, kann dies schwieriger sein – weil bei ihnen die Rundungen fehlen, also weniger Gewebeüberschuss da ist.

Die unterschiedlichen Verfahren tragen Bezeichnungen, die aus Großbuchstaben bestehen, es sind Kürzel für lateinische und/oder englische Ausdrücke. Dabei unterscheidet man gestielte Lappen (die Gefäßversorgung bleibt erhalten) von freien Lappen (die Gefäßversorgung muss rekonstruiert werden). Bei der TRAM-Methode wird spindelförmig ein Gewebelappen mit Muskelanteilen am Unterbauch entnommen, blutversorgende Gefäße bleiben erhalten. Die Latissimus-dorsi-Lappenplastik basiert auf der teilweisen Verschiebung des Rückenmuskels auf die Vorderseite des Oberkörpers. Beim DIEP-Verfahren wird ein sogenannter freier Lappen ebenfalls vom Bauch genutzt, hierbei muss mikrochirurgisch ein neuer Gefäßanschluss im Brustbereich geschaffen werden. Je nach Methode beträgt der stationäre Aufenthalt zwischen fünf und zehn Tagen.

OP-Planung im Team: Evagelia Tsaknaki (links) und Dr. Tina Siegmund mit Dr. Georgios Tamouridis (rechts), Leitender Arzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, sowie Oberarzt Athanasios Alekoglou.

Fett als Füllstoff für kleinere Dellen nach brusterhaltender Operation

Ein weiteres Verfahren, dass nach brusterhaltenden Eingriffen genutzt werden kann, ist das Auffüllen einer Delle oder von verloren gegangenem Volumen mit körpereigenem Fett. Dafür wird wasserstrahlassistiert – und damit auf schonende Art – Fett am Bauch oder auch an anderen Körperstellen abgesaugt, aufbereitet und mit Kanülen ins Brustgewebe eingebracht. Ziel ist, dass das Fett einheilt und sozusagen Anschluss an das umgebende Gewebe findet. Dieser Vorgang muss eventuell wiederholt werden, denn etwa ein Drittel des Volumens geht in der Folgezeit oft wieder verloren. Wenn alle medizinischen Voraussetzungen stimmen, sei es eine „elegante Lösung“, befindet Evagelia Tsaknaki, denn außerdem „werden Narben- und Hautqualität verbessert“.

Evagelia Tsaknaki
Leitende Abteilungsärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie

Evagelia Tsaknaki
Leitende Abteilungsärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie

2023-11-20T18:02:47+01:00
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