Familie Ramirez hat sich in der neuen Heimat schon ein wenig eingelebt – und möchte gern in Braunschweig bleiben.

Philippinische Pflegekräfte: „„Willkommen im neuen Job“

Dhalia und Jay-Ar Ramirez haben Pflege in ihrer Heimat Philippinen studiert. Jetzt arbeitet das Ehepaar am Klinikum Braunschweig – und freut sich vor allem über die Dankbarkeit der Patientinnen und Patienten.

Autorin: Prem Lata Gupta

Die Themen Dienstübergabe, Visite und Medikamentenzu-teilung sind für Dhalia Ramirez längst Routine. Der studierten Pflegefachkraft von den Philippinen gehen sämtliche Fachbegriffe flüssig über die Lippen. Und auch die Checkliste für den Dienstantritt hat sie parat. Was liegt an, gibt es neue Patientinnen und Patienten, veränderte Therapien? Und ist eventuell noch ein Gespräch mit den Angehörigen vorgesehen?

Dhalia Ramirez arbeitet seit Sommer 2020 auf der augenärztlichen Station im Klinikum Braunschweig am Standort Salzdahlumer Straße. Ihr Pflegestudium hat sie in der Heimat absolviert, vier Jahre lang. Danach hat sie in Libyen und Saudi-Arabien gearbeitet. „Eigentlich liebe ich die Arbeit auf der Intensivstation“, sagt die 32-jährige Mutter eines kleinen Sohnes. „Aber das Wichtigste hier in Deutschland ist es ja, die Sprache schnell zu lernen. Und auf der Normalstation kommen wir oft mit den Menschen ins Gespräch.“

Dhalia Ramirez mit Sohn Jair Davin: Bald kommt der Dreijährige in die Kita.

Alltagsleben und Stationsroutine als Pflegekraft

In der Parterrewohnung, in der Dhalia mit ihrem Mann Jay-Ar und dem dreijährigen Sohn Jair Davin lebt, verteilt sich das Kinderspielzeug auf dem Tisch. Jair liegt auf dem bunten Sofa mit den vielen Kissen, spielt an seinem Kindertablet und möchte jetzt ein Brot haben. Ein Toastbrot mit Nutella soll es sein.

Familie Ramirez hat sich in ihrer Wohnung gemütlich eingerichtet. Es gibt Tee, Sprudelwasser und Quarkbällchen. Und die beiden Erwachsenen wechseln sich ab beim Erzählen, höflich und gut gelaunt – während der kleine Sohn spielt.

Dhalia Ramirez spricht schon ziemlich gut Deutsch und findet sich in der Stationsroutine zurecht. „Auch dass wir bei den Patientinnen und Patienten die Körperpflege übernehmen, ihnen Essen anreichen, ist mittlerweile ganz normal.“ Diesen Teil der Aufgaben übernimmt in ihrer Heimat die Familie.

Familie Ramirez geht gern im Wohnviertel spazieren.

Im Ausland Berufserfahrung in der Krankenpflege gesammelt

Jair Davin hüpft mit seinem kleinen Tablet über das Sofa und zeigt seine Spielzeugkiste: „Meins.“ Seine Mutter erzählt derweil von ihrer Berufstätigkeit in Libyen und Saudi-Arabien, wo es ihr nicht besonders gut gefallen hat. „Die Kultur dort ist schon sehr anders.“ Das Beste an dem Einsatz dort sei gewesen, Erfahrung in der Pflege zu sammeln, gutes Englisch zu lernen – und ihren Mann zu treffen. Die beiden lächeln sich an, sie gehören ganz offensichtlich zusammen.

Auch Jay-Ar Ramirez ist examinierter Gesundheitspfleger, stammt ebenfalls von den Philippinen und ist im vergangenen Jahr seiner Frau nach Deutschland ans Klinikum Braunschweig gefolgt. Der 36-Jährige befindet sich noch im Anerkennungsprozess, derzeit ist er auf der Intensivstation eingesetzt.

„Die Arbeit am Klinikum macht großen Spaß. Und vor allem werden wir sofort wie Kollegen behandelt, auch wenn wir noch einiges lernen müssen“, sagt er. Die Kleinfamilie lebt ganz in der Nähe ihrer Arbeitsstätte, ihren Dienstplan stellen die Eltern so zusammen, dass der Sohn möglichst von ihnen betreut werden kann. Bald ist ein Platz in der Kita frei.

„Inhaltlich unterschieden sich die Aufgaben hier nicht wesentlich von denen auf den Philippinen oder in Saudi-Arabien“, sagt Dhalia Ramirez. Ihr Mann hat allerdings zuweilen noch Probleme, die Bedienungsanweisungen an den Geräten zu übersetzen. „Da frage ich immer lieber zweimal nach“, sagt er. Denn wenn es auf der Intensivstation anfängt zu piepen, muss es schnell gehen und jeder Handgriff sitzen. „Bei Alarm wird gerannt, wie in allen Kliniken.“

Qualifizierte Pflegekräfte von den Philippinen: „Wir sind ein tolles Team“

Die Eheleute mögen ihre Patientinnen und Patienten, auch wenn es nicht immer leicht ist, sich mit diesen zu unterhalten. „Es ist ungewohnt, dass ich hier auch Frauen pflegen darf“, findet Jay-Ar Ramirez. „Viele freuen sich einfach, dass wir für sie da sind, und bedanken sich sehr“, erklärt Dhalia. Zwar gebe es viele Erkrankte, die sehr viel Unterstützung benötigten. Aber die Körperpflege und -lagerung bereitet der zierlichen jungen Frau wenig Probleme. „Im Zweifel sind immer Kolleginnen und Kollegen da, wir sind ein tolles Team.“

Neben heiteren erleben die beiden natürlich auch viele ernste Momente bei ihrer Arbeit im Klinikum: Durch seine jahrelange Erfahrung ist das Ehepaar immer wieder mit dem Thema Tod konfrontiert. „Auf der Intensivstation versterben fast täglich Menschen“, sagt Jay-Ar Ramirez. „Wir fühlen mit und trauern, auch mit den Angehörigen“, sagen die beiden. Allerdings befremdet es Jay-Ar und Dhalia, dass manchmal keine Familienmitglieder ans Sterbebett kommen, wenn ein Mensch geht.

Internationale Pflegekräfte haben viel Potenzial

In Braunschweig haben sich die beiden auch außerhalb des Klinikums schon ein wenig eingelebt. „Die meisten Kontakte laufen natürlich noch über das Team“, so Dhalia Ramirez. Wenn Jair Davin im Frühjahr in die Kita kommt, soll sich das ändern. „Da werden wir dann sicher andere Eltern treffen“, sagt Jay-Ar. Es sei schon ein anderes Leben hier – „das Wetter, die Sprache, die Kultur – und dass so viele Menschen alles alleine schaffen wollen“. Es klingelt an der Tür, und ein bisschen Heimat kommt in Person einer befreundeten Kollegin aus dem Klinikum. Es soll gemeinsam gekocht werden.
Dhalia und Jay-Ar wollen sehr gerne in Braunschweig bleiben. Sie freuen sich, so viel positive Rückmeldung zu bekommen – vom Team und von den ihnen zur Pflege anvertrauten Menschen und deren Angehörigen. „Philippinische Pflegefachkräfte arbeiten weltweit, ich würde sagen, wir sind bekannt für eine besonders zugewandte Arbeit am Menschen“, sagt die 32-Jährige lächelnd. So kommen durchschnittlich pro Jahr etwa 3000 Pflegekräfte aus ihrer Heimat nach Deutschland – „es sieht so aus, als würden wir gebraucht – international“. Familie Ramirez steht bereit.

Jay-Ar und Dhalia Ramirez mögen ihre Arbeit.

1900

Pflegekräfte kamen im ersten Halbjahr 2019 von den Philippinen nach Deutschland

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit

Dhalia Ramirez
Pflegefachkraft von den Philippinen

NACHQUALIFI­ZIERUNG IN THEORIE UND PRAXIS

Auch das Klinikum Braunschweig setzt in Zeiten des Fachkräftemangels längst auf ausländische Mitarbeitende. „Viele Bewerberinnen und Bewerber haben ein entsprechendes Studium in ihrer Heimat absolviert, sie müssen aber trotzdem in Deutschland den sechsmonatigen Anerkennungsprozess durchlaufen – in Theorie und Praxis“, sagt die kommissarische Pflegedirektorin Ina Wegner. Es stehen Nachqualifizierungskurse an und eine Prüfung. Zudem sind Sprachkenntnisse erforderlich – „das Niveau muss dem B2-Level entsprechen“.

„Wir brauchen Leute – im OP, auf den Intensiv- und Normalstationen“, betont Frank Stemmler, verantwortliche Pflegedienstleitung am Klinkum. Im Auswahlgespräch gehe es vor allem um Lebenslauf, Ausbildung und berufliche Praxis. Er wünscht sich Kandidatinnen und Kandidaten, die offen sind – „das ist uns wichtig, damit sie der Herausforderung, in einem fremden Land mit einer fremden Sprache zu arbeiten, auch gewachsen sind.“

Herausfordernd, so Wegner, seien neben dem Spracherwerb auch Pflegemaßnahmen wie die Körperpflege oder der Toilettengang. „In vielen Ländern wird das von Familienangehörigen übernommen.“ 2021 hat das Klinikum 23 philippinische und 21 tunesische Pflegefachkräfte rekrutiert, für 2022 soll Verstärkung aus der Türkei und erneut von den Philippinen kommen. Eine Kollegin kümmert sich um Integration und praktische Begleitung der Pflegenden.

2023-06-10T19:49:08+02:00
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