Puls – Das Magazin für Gesundheitsinteressierte | Ausgabe 06/2022

Die Pein am Bein: Behandlung von Beschwerden am Ischiasnerv

Im Wirbelsäulenzentrum des Klinikums Braunschweig sind die Expertinnen und Experten aus Chirurgie und Neurochirurgie häufig mit spezifischen Rückenproblemen wie eingeklemmtem Ischiasnerv und Bandscheibenvorfall konfrontiert.

Autorin: Susanna Bauch

in plötzlicher, heftiger Schmerz, der vom Gesäß bis ins Bein, manchmal sogar bis in den Fuß schießt und als reißend oder ziehend empfunden wird: So äußert sich meist, was der Volksmund Ischias oder Hexenschuss nennt. Damit wird genau genommen keine Krankheit bezeichnet, sondern vielmehr der Ursprung der Beschwerden, der Ischiasnerv. Ist er eingeklemmt, verletzt oder entzündet, kommt es zu Problemen.
Acht von zehn Menschen leiden irgendwann unter Rückenschmerzen. „Rückenprobleme sind eine Volkskrankheit“, sagt Dr. Ernst Rzesacz, Leitender Arzt des interdisziplinären Wirbelsäulenzentrums am Klinikum Braunschweig und Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie. Dabei unterscheidet der Mediziner zwischen spezifischem und unspezifischem Rückenschmerz. „Bei 85 Prozent der Patientinnen und Patienten findet man keine Ursache für die Beschwerden.“

Bandscheibe drückt auf Ischiasnerv

Bei den restlichen 15 Prozent indes handelt es sich um spezifische Schmerzen, denen eine fassbare Ursache zugrunde liegt. Dazu gehört auch die sogenannte Ischialgie. „Ischiasschmerzen gehen vom unteren Bereich des Rückens aus“, so Dr. Rzesacz. Oft entsteht die Ischialgie infolge eines Bandscheibenvorfalls, also dann, wenn sich die Puffer zwischen den Wirbeln verschieben oder vorwölben – dabei drückt die Bandscheibe auf den Ischiasnerv.
In der Regel gehen Menschen mit Rückenbeschwerden zunächst in Haus- und Facharztpraxen. Eine exakte Anamnese sei wichtig für eine Diagnose. Gibt es Begleiterscheinungen oder besondere Belastungen? Ist der Schmerz plötzlich aufgetreten wie beim Ischias? „Wenn keine neurologischen Ausfälle wie Taubheitsgefühle festzustellen sind, folgt bei uns die klinische Untersuchung – Schiefstand, Gelenkprobleme und Bewegungseinschränkung werden kontrolliert“, erläutert der Experte. Diese Punkte sollten vor einem bildgebenden Verfahren abgeklopft werden, „es braucht da nicht gleich ein Wirbelsäulen-MRT“. Bei unspezifischen Schmerzen werde zunächst mit Wärme, Schmerzmittel und Physiotherapie gearbeitet, erklärt der Leiter des Wirbelsäulenzentrums. Zur Selbstbehandlung werden auch Eigenübungen vermittelt – „bei den meisten haben sich die Probleme dann innerhalb von 14 Tagen erledigt“. Zu spezifischen Rückenproblemen zählen neben dem Ischias auch Bandscheibenvorfälle, versteckte schmerzhafte Frakturen, Osteoporose oder eine Einengung des Rückenmarkkanals. „In seltenen Fällen sind Metastasen für die Beschwerden verantwortlich.“

Immer mehr Bandscheibenvorfälle

Wenn angesichts von spezifischen Schmerzen trotz konventioneller Therapie keine Besserung eintritt, kommt der Chirurg ins Spiel. „Bringt bei Bandscheibenvorfall zielgerichtete Krankengymnastik nach einigen Monaten immer noch kein Ergebnis, ist die Operation eine Option“, so der Mediziner. Ein chirurgischer Eingriff ist im Fall von Ischialgie zu empfehlen, wenn die Beschwerden chronisch sind oder gemeinsam mit einem Bandscheibenvorfall auftreten. Mithilfe der sogenannten Schlüssellochchirurgie wird der ausgetretene Gallertkern der Bandscheibe, der auf den Ischiasnerv drückt, entfernt. Kontraproduktiv bei Ischiasschmerzen sei die Schonhaltung, betont Dr. Rzesacz. „Die Wirbelsäule ist ein dynamisches System, die Rückenmuskulatur wird schnell überlastet oder fehlbelastet.“ Grundsätzlich sollten Patienten daher im Alltag aufrecht sitzen, viel aufstehen und für ausgleichende Bewegungen sorgen. Das Leben spiele sich heute zu oft im Sitzen ab – daher treffen Ischialgie und Rückenschmerz auch junge Leute. „Die Zahl der Betroffenen hat sich in den letzten 50 Jahren verdoppelt.“

Was Schmerzen im Ischiasnerv verursacht

Akute Ischiasschmerzen werden durch eine Einengung, Reizung oder Schädigung der Nervenwurzeln ausgelöst. Die häufigste Ursache ist ein Bandscheibenvorfall. Weitere Ursachen sind unter anderem Muskelverspannungen, Entzündungen oder bestimmte Erkrankungen wie Diabetes. Bei Verdacht sollten Motorik, Sensorik und Reflexe getestet werden. Wenn sich neurologische Ausfälle zeigen oder die Symptome länger als sechs Wochen andauern, sollten bildgebende und elektrodiagnostische Untersuchungen erfolgen. Diese können das Vorhandensein und den Grad der Nervenwurzelkompression bestätigen.

Dr. Ernst Rasacz
Leitender Arzt im Wirbelsäulenzentrum,
Klinikum Braunschweig

Dr. Ernst Rzesacz
Leitender Arzt im Wirbelsäulenzentrum,
Klinikum Braunschweig

2023-01-16T11:57:20+01:00
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