Neuer Pflegedirektor:

Es braucht neue Ideen

Neuer Pflegedirektor:
Es braucht neue Ideen

Was macht ein Pflegedirektor, wenn das Personal knapp ist? Wenn Kolleginnen und Kollegen über Arbeitsdruck klagen? Rick Pieger möchte konkrete Veränderungen anschieben – gemeinsam mit allen Beteiligten.

Interview: Prem Lata Gupta

Zur Person

Rick Pieger (53) hat als junger Mann eine Ausbildung zum Krankenpfleger am Universitätsklinikum Halle gemacht. Er qualifizierte sich in den Folgejahren für verschiedene Führungsaufgaben, 2011 wechselte er an das Universitätsklinikum Ulm. Dort war seine letzte Position die des Pflegedirektors, genauso wie danach am Universitätsklinikum Magdeburg und zuletzt am Ortenau Klinikum. Pieger hat sich während seiner Laufbahn kontinuierlich weitergebildet und berufsbegleitend Pflege/Pflegemanagement studiert.

Was erwarten Sie sich als Pflegedirektor von der Gesundheitsreform, die Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach angestoßen hat?

Die Vorschläge der Regierungskommission für eine Krankenhausreform – weg von der reinen mengen- und leistungsorientierten Vergütung, die sich an der Diagnose orientiert – halte ich für einen guten Weg. Andere europäische Länder machen uns das so oder so ähnlich schon vor. Dass Problem ist: Das wird die Krankenhäuser frühestens mittelfristig entlasten. Wir müssen aber jetzt etwas tun, das schneller greift.

Nämlich den Fachkräftemangel bekämpfen? Wie könnte das effektiv geschehen?

Wir müssen die Ausbildungszahlen maximal steigern, ausländische Pflegekräfte holen, intensive Recruitingkampagnen fahren, um mehr Mitarbeitende zu bekommen. Parallel dazu dürfen wir das Personal, das wir haben, nicht verlieren. Das wäre unter anderem machbar mit einer klugen Kombination aus verschiedenen Kurz- und Langfristausfallsystemen, um den Kolleginnen und Kollegen ihre freien Tage auch verlässlich zu gewähren: Frei soll frei sein.

Reicht das denn?

Nein, mit den beschriebenen Maßnahmen können wir aus meiner Sicht ein Unentschieden erreichen. Um zu gewinnen ist meines Erachtens die Entlastung der Stationen durch Prozessverbesserungen alternativlos.

Könnten Sie dafür Beispiele nennen?

Es lässt sich an vielen Stellen ansetzen: Wenn beispielsweise Patientinnen und Patienten neu aufgenommen werden, könnte man das zeitlich staffeln anstatt alle auf dieselbe Uhrzeit zu bestellen. Wege zu verkürzen, etwa wenn es um oft benötigte Materialien geht, bedeutet eine Verbesserung. Auch gilt es, Störungen auszuschalten, beispielsweise bei der Morgenrunde – und zwar durch klare Aufgabenverteilung plus eine Person, die als Springerin oder Springer agiert. Das sind nur einzelne, exemplarische Beispiele, die ich aber alle schon erlebt habe und die in Summe mit weiteren Verbesserungen Stationen signifikant entlastet haben.

Was wollen Sie als Pflegedirektor im Klinikum Braunschweig bewirken?

Ich möchte nicht weniger, als mit den Kolleginnen und Kollegen gemeinsam die Pflege wieder zu einem attraktiven Beruf aufzubauen. Das braucht Zeit sowie Veränderungsbereitschaft auf den Stationen, in den Abteilungen und natürlich auch der Geschäftsführung. Da will ich ins Gespräch gehen und umsetzungsfähige Ideen anbieten.

Was bedeutet es konkret, Prozesse innerhalb eines Krankenhauses zugunsten einer patientenorientierten Versorgung zu verbessern?

Es bedeutet, dass wir die Patientenversorgung stabil, transparent, verlässlich und auf den kranken Menschen fokussiert gestalten. Die Realität sieht in den meisten Fällen so aus, dass eine Pflegefachkraft morgens bei Arbeitsbeginn nicht weiß, was an dem Tag alles anliegt. Alltag im Krankenhaus bedeutet für Pflegende, den Anforderungen hinterherzurennen. Eine echte Alternative wäre ein klar strukturierter Tagesarbeitsplan für jeden Einzelnen und jede Einzelne. Das erleichtert die Organisation im Team. Und es kommt auch Patientinnen und Patienten zugute, weil man klar kommunizieren könnte, was zu welcher Uhrzeit stattfindet. Klingt für Pflegekräfte im Augenblick sicher wie Science-Fiction, aber wenn das am Ende ein Ergebnis ist, bin ich zufrieden.

Was unterscheidet Verantwortung für den Pflegebereich, wenn man als Pflegedirektor in einem kommunalen Klinikum tätig ist, von einer vergleichbaren Leitungsfunktion in Unikliniken?

Es gibt nach meiner Erfahrung zwei augenfällige Unterschiede. Zum einen sind Universitätskrankenhäuser hierarchiebetonter, und das zieht schon den zweiten Unterschied nach sich, sie sind in ihrer Entscheidungsgeschwindigkeit schwerfälliger als kommunale Häuser. In kommunalen Häusern geht es kollegialer zu zwischen dem pflegerischen und dem ärztlichen Personal. Das ist auch gut so, denn von Prozessveränderungen sind beide Berufsgruppen betroffen.

Warum gibt es bei einem so wichtigen Thema wie „Selbstbewusstsein in der Pflege“ noch Luft nach oben?

Aus meiner Sicht liegt es daran, dass die Pflegefachkräfte als einzige Generalisten im Krankenhaus all das machen, was die anderen Berufsgruppen nicht machen. Ein solcher „Gemischtwarenkatalog“ erschwert es, die eigenen Leistungen zu verteidigen, wenn Personal eingespart wird. Das wurde weidlich ausgenutzt, die Pflege ist nachweislich das Hauptopfer des Fallpauschalensystems. Wenn Pflege als Arbeit jahrelang so abgewertet wird, untergräbt dies das Selbstbewusstsein.

Wie lässt sich gegensteuern?

Durch Wertschätzung auch innerhalb des Krankenhausbetriebes und indem man die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden auf Station stärkt. Hier kommt es auf ein klares Signal an im Sinne von: „Ihr könnt selbst dazu beitragen, eure Arbeitsbedingungen auf Station zu verbessern. Ihr wisst am besten, wie dies gelingen kann – denn ihr seid die Expertinnen und Experten.“

2023-03-23T10:03:07+01:00
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