Schilddrüse: Kleines Organ, grosse Wirkung

Ob Unterfunktion, Knoten oder Tumor, ob Medikamententherapie, Operation oder Ablation: Die Fachleute des Schilddrüsen­zentrums im Klinikum Braunschweig bieten für alle Betroffenen ein jeweils individuelles Behandlungskonzept.

Autorin: Susanna Bauch

Chefarzt Prof. Dr. Philipp Wiggermann nimmt eine Untersuchung per Ultraschall vor.

as Schilddrüsenzentrum am Klinikum Braunschweig hat Maria Heitmüller* eine zweite Operation erspart. Sie ist seit mehr als 30 Jahren Schilddrüsenpatientin, damals wurde ihr bereits ein Knoten entfernt – vor allem, damit dieser nicht irgendwann auf Stimmbänder oder Luftröhre drückt. Im vergangenen Jahr ist wieder ein Knoten aufgetreten. Diesmal muss nicht operiert werden – dank einer sogenannten Schilddrüsenablation, eines minimalinvasiven Eingriffs, der das unerwünschte Gewebe in Minutenschnelle durch Hitzeinjektion zum Absterben bringt. „Diese Technik jetzt hier anzuwenden ist ein deutliches Alleinstellungsmerkmal des Klinikums“, betont Prof. Dr. Philipp Wiggermann, Chefarzt des Instituts für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin.

Klinikum behandelt alle Schilddrüsenerkrankungen

Das Schilddrüsenzentrum am Klinikum widmet sich sämtlichen Erkrankungen dieser kleinen Hormondrüse. Die Schilddrüse, ein kleines, in der Regel nicht mehr als 25 Gramm schweres Organ, liegt unterhalb des Kehlkopfs an der Luftröhre und ist in einen komplizierten Regelkreis eingebunden. Durch sie wird die Hormonausschüttung im Gleichgewicht gehalten und an den Bedarf des Körpers angepasst.

Aufgabe der Schilddrüse ist die Produktion und Freisetzung der beiden Schilddrüsenhormone Trijodthyronin und Thyroxin. Diese Hormone bestimmen entscheidend die Stoffwechsellage des Organismus und beeinflussen zahlreiche Körperfunktionen: Dazu zählen unter anderem der Energieverbrauch, die Regulation der Körperwärme, die Aktivität von Nerven, Muskeln, Herz, Kreislauf, Magen und Darm, das seelische Wohlbefinden, die Sexualität sowie – insbesondere bei Kindern – die körperliche und geistige Entwicklung.

Umfangreiche Diagnostik

Diagnostik und Therapie erfolgen im Schilddrüsenzentrum ambulant oder stationär. „Patientin und Patient profitieren von der interdisziplinären Zusammenarbeit der einzelnen Fachrichtungen sowie der engen Kooperation mit den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen“, betont Prof. Dr. Dr. h.c. Guido Schumacher, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie.

Zur Diagnostik gehören die Bestimmung der Schilddrüsenhormone, der Antikörper und der Tumormarker, die Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse und der Halsorgane und gegebenenfalls die Punktion der Schilddrüse sowie eine Szintigrafie der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen oder Ultraschalluntersuchungen der Nebenschilddrüsen. „Bei der häufigsten, in der Regel im Frühstadium problemlos zu behandelnden Erkrankungsform – dem Jodmangelkropf – können Medikamente wie Schilddrüsenhormone oder Jod sehr effektiv innerhalb von Monaten zu einer Größenabnahme der Schilddrüse führen“, erläutert Dr. Stefan Meins, Leitender Abteilungsarzt für Nuklearmedizin.

„Stationäre Radiojodtherapien können im Klinikum bei gutartigen Erkrankungen wie etwa Schilddrüsenverkleinerung und bösartigen Erkrankungen der Schilddrüse mit Jod-131 durchgeführt werden – rund 350-mal pro Jahr“, erklärt Dr. Meins. Eine radioaktive J-131-Kapsel gelangt nach Auflösung über die Blutbahn in die Schilddrüse, wo die krankhaften Schilddrüsenanteile dann von innen bestrahlt werden.

Nicht immer ist eine Operation erforderlich

Für einen operativen Eingriff an der Hormondrüse kann es ebenfalls unterschiedliche Gründe geben. Schluck- und Atembeschwerden oder Druckgefühl im Hals, kalte Knoten – sie produzieren keine Hormone und können bösartig sein –, Verdacht auf eine bösartige Erkrankung oder ein nachgewiesener Schilddrüsentumor zählen genauso dazu wie heiße Knoten, die eine Überfunktion verursachen, sowie eine Vergrößerung oder Überfunktion der Schilddrüse durch den sogenannten Morbus Basedow, erläutert Prof. Dr. Dr. h.c. Schumacher.

Eine vergrößerte Schilddrüse, wie auch im Fall von Maria Heitmüller, wird als Kropf oder Struma bezeichnet. Die Erkrankung ist oft die Folge eines Jodmangels. „In den vergangenen 20 Jahren stellen wir ihn wieder häufiger fest“, sagt Dr. Meins. Bei der 58-Jährigen kam keine Radiojod- oder Medikamententherapie infrage – ihr Knoten bedurfte einer Entfernung. „Wir sind gewissermaßen die Dienstleister der Radiologen“, sagt Chirurg Prof. Dr. Dr. h.c. Guido Schumacher. „Wenn ein Knoten mechanisch stört und auch bei Verdacht auf Bösartigkeit, dann operieren wir.“ Seit Neuestem kann auch minimalinvasiv ablatiert werden. „Es ist wichtig, dass wir hier im Schilddrüsenzentrum im interdisziplinären Austausch arbeiten – Chirurgie, Radiologie und Nuklearmedizin“, so der Chefarzt. Schilddrüsenkrebs kommt selten vor – nur 1,1 Prozent aller Knoten sind laut Deutscher Krebsgesellschaft bösartig. Hier beruht das Therapiekonzept auf einer Kombination von Operation, Radiojodtherapie und Medikamenten.

Alle Fachrichtungen an einem Ort

„Beim Schilddrüsenzentrum ist es ähnlich wie in Tumorzentren: Die Qualität ist nachweislich besser, wenn alle beteiligten Fachrichtungen an einem Ort sind und die Patientenfälle gemeinsam besprechen, um individuell zu handeln“, sagt Prof. Dr. Dr. h.c. Schumacher. Zur Nachsorge kommen Patientinnen und Patienten wieder ans Klinikum oder werden von den überweisenden Ärzten und Ärztinnen weiterbehandelt. Maria Heitmüller hat den Nachsorgetermin bei Dr. Meins. Ihr Schilddrüsenknoten ist nach der Ablation deutlich geschrumpft. Bis er komplett verschwindet, können noch ein paar Wochen vergehen. „Mir wurde gesagt, dass man mich wegen meiner Schilddrüse im Klinikum kaum wiedersehen werde.“ Sie ist rundum zufrieden – keine Narbe, sofort fit nach dem Eingriff und perfekte Blutwerte.

1,1 Prozent

aller Schilddrüsenknoten sind bösartig.

Prof. Dr. Dr. h.c. Guido Schumacher
Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Braunschweig

Prof. Dr. Dr. h.c. Guido Schumacher
Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Braunschweig

Wo die Sonde eingeführt werden soll, zeichnet der Arzt oder die Ärztin vor der Thermoablation genau auf der Haut an: Der minimalivasive Eingriff ist schonend, die Patientinnen und Patienten fühlen sich danach sofort wieder fit.

Setzt auf innovative Therapieansätze: Prof. Dr. Philipp Wiggermann, Chefarzt für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin.

Dr. Stefan Meins, Leitender Abteilungsarzt für Nuklearmedizin, verweist darauf, dass auch Medikamente sehr effektiv wirken können.

Mit Hitze gegen Schilddrüsenknoten

„Die perkutane – so wird der Weg von Medikamenten, Injektionsnadeln oder anderen medizinischen Geräten durch die Haut hindurch bezeichnet – Tumorablation wird bereits in anderen Arealen eingesetzt“, erläutert Prof. Dr. Philipp Wiggermann, Chefarzt des Instituts für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin am Klinikum Braunschweig.

Das neuartige Therapieverfahren eignet sich auch für gutartige und bösartige Tumore etwa der Leber oder Niere. Bei dieser Methode wird eine spezielle Sonde über eine minimale Stichinzision in dem zu behandelnden Knoten in der Schilddrüse platziert und ein bis zwei Minuten lang erhitzt. Das betroffene Gewebe stirbt dann ab.

Patientinnen und Patienten kommen in der Regel zunächst zur Vorbereitung wie Laboruntersuchung des Blutes und CT- oder MRT-Aufnahmen. Der Eingriff erfolgt unter bildgebender Kontrolle. Währenddessen soll der oder die Erkrankte Töne von sich geben. So lässt sich sicherstellen, dass die Stimmbänder nicht verletzt werden. Der eigentliche Eingriff sei in zwei Minuten erledigt. Bis sich ein Schilddrüsenknoten aber komplett zurückgebildet habe, können einige Wochen vergehen, sagt der Mediziner.

Bei dem innovativen Verfahren der Thermoablation werden Knoten schonend entfernt.

2023-03-23T10:03:39+01:00
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