Nahrungs-
ergänzungsmittel:
was taugen sie?

Lebensmittel, angereichert mit Protein oder Vitaminen, boomen. Aber braucht das der Körper? Oder ist das riesengroße Angebot nur Geschäftemacherei?
PULS fragt nach.

Autorin: Susanna Bauch

iweißbrote, Fruchtgummis und Säfte mit zugesetzten Vitaminen, aber auch Joghurts und Puddings mit zusätzlicher Proteindosis bescheren Herstellern und Supermärkten gute Geschäfte – sogar die Kalorienbombe Kartoffelchips wird als vermeintlich gesunde Variante („High Protein Chips“, 40 % Eiweiß, nur 5 g Fett) angeboten. Die angereicherten Produkte versprechen Fitness und Wohlbefinden – wie auch die Vitamin- und Mineralstoffpillen und -kapseln in den Regalen der Drogeriemärkte. Die sollen etwa die Sehkraft unterstützen, für gesundes Haar, Blutbildung oder mehr Energie sorgen, oder ganz allgemein das Immunsystem stärken. Das klingt gut, wer will das nicht?

So denkt auch Walter Räke. Der rüstige 85-Jährige aus Lengede möchte so fit bleiben, wie er ist, und nimmt deshalb seit zehn Jahren Nahrungsergänzungsmittel ein – für die Darmflora, für Herzfunktion und Energiestoffwechsel, zur Unterstützung der Kollagenbildung. Monatlich gibt er dafür etwa 180 Euro aus. Damit will der Ingenieur nun aufhören, doch er fragt sich: „Wenn ich diese Mittel nicht mehr einnehme, verschlechtert sich dann mein körperlicher Zustand?“

Besser beraten lassen

„Vermutlich nicht“, sagt Anna Mohr, Apothekerin in der Sterilabteilung, der Defektur und im Personalverkauf der Apotheke des Klinikums Braunschweig, „solange kein Vitamin- oder Mineralstoffmangel vorliegt. Bei gesunden Menschen, die sich ausgewogen ernähren, zeigt eine Einnahme dieser Produkte in der Regel keinen zusätzlichen Nutzen.“ Man sollte sie, so Anna Mohr, nicht ohne Beratung beim Arzt oder in der Apotheke einnehmen, da nicht jedes Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll ist und Wechselwirkungen mit Medikamenten auftreten können. Sie betont: „Eine gute Ergänzung kann allerdings Vitamin B12 bei veganer Ernährung sein sowie Folsäure bei Frauen mit Kinderwunsch und in der Frühschwangerschaft.“ Anna Mohr sieht den gegenwärtigen Trend skeptisch und stellt klar: Nahrungsergänzungsmittel aus dem Drogeriemarkt sind Konzentrate von Nährstoffen oder anderen Stoffen, die eine ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung haben und in dosierter Form in Verkehr gebracht werden. Sie gelten rechtlich als Lebensmittel und müssen nur beim Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angezeigt werden.

Werbung ist Verkaufsmasche

Anders Vitamine und Mineralstoffe, die als Arzneimittel in der Apotheke verkauft werden. Die sind zur Heilung, Linderung und Verhütung von Krankheiten – etwa bei Vitamin- oder Mineralstoff-Mangelzuständen – bestimmt. Sie müssen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA zugelassen werden, Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen in klinischen Studien nachgewiesen werden.

Wie auch die Verbraucherzentralen sieht Apothekerin Mohr melatoninhaltige Fruchtgummis kritisch. „Melatonin ist ein körpereigenes Hormon und als verschreibungspflichtiges Arzneimittel auf dem Markt. Zuerst muss die Ursache der Schlafstörung abgeklärt werden. Wenn kein Mangel an Melatonin besteht, muss man es grundsätzlich auch nicht supplementieren.“

„Die Werbung mit Protein ist eine reine Verkaufsmasche“, sagt Armin Valet, Lebensmittelchemiker bei der Verbraucherzentrale Hamburg, „dazu gibt es verschiedene Studien. Diese Lebensmittel sind deutlich teurer als entsprechende Vergleichsprodukte und nicht in allen steckt tatsächlich mehr Protein.“ Außerdem, so Valet, hätten wir überhaupt keinen Eiweiß oder Proteinmangel, der Bedarf von 0,8 Gramm pro Kilo Körpergewicht werde bei normaler Ernährung problemlos erreicht.

Apothekerin Mohr ergänzt noch: „Im Alter ist der Bedarf an Proteinen jedoch höher. Falls eine ausreichende Versorgung nicht mit der normalen Ernährung gewährleistet werden kann, sollte Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin gehalten werden.“

Anna Mohr
Apothekerin im Klinikum Braunschweig

2023-06-06T13:16:59+02:00
Nach oben