Sprachmentoring: Kommunikation im Klinikalltag
Durch Rollenspiele zu mehr Sprachkompetenz: Mentoren trainieren mit Auszubildenden, die ausländische Wurzeln haben, Ausdrucksweise und Kommunikation im Klinikalltag.
Autorin: Susanna Bauch
Zu den Personen
Wibke Siemens (48) hat 1990 ihre Ausbildung zur – wie es damals hieß – Krankenschwester gemacht. Danach war sie in der Allgemein- und Unfallchirurgie im Einsatz. 2017 absolvierte sie eine Weiterbildung zur Praxisanleiterin, mittlerweile macht die Theorie drei Viertel ihrer Arbeitszeit aus. Godfried Amouzou (22) hat im August seine Ausbildung zur Pflegefachkraft am Klinikum – und das Sprachmentoring – begonnen. Er stammt aus Togo, wo er Germanistik studierte. Sein Interesse galt aber immer medizinischen Berufen.
Um im Arbeitsalltag kompetent agieren zu können, benötigen Pflegekräfte nicht nur fachliche, sondern auch fachsprachliche Kompetenzen. Für Pflegekräfte aus dem Ausland stellt dies vor allem während der Ausbildung eine besondere Herausforderung dar – zur Unterstützung wird im Klinikum Braunschweig das sogenannte Sprachmentoring angeboten.
Was ist unter dem Begriff Sprachmentoring zu verstehen?
Wibke Siemens: Ziel des Sprachmentoring ist es, Auszubildenden zu helfen, Sprachbarrieren abzubauen und sie so vorzubereiten, dass sie ihr Examen schaffen – in Theorie und Praxis.
Godfried Amouzou: Fachausdrücke zu lernen ist einerseits sehr wichtig in unserem künftigen Beruf. Aber wir müssen auch auf anderen Ebenen kommunizieren – mit den Patienten und Patientinnen und im Team.
In Bezug auf Sprachkenntnisse ist das B2-Level für die Ausbildung Voraussetzung – reicht das?
Wibke Siemens: Nein, das reicht nicht. Fachtermini sind wichtig, Vokabeln sind es auch, aber die Auszubildenden müssen pflegebedürftige Menschen beraten und anleiten können, mit ihren Angehörigen und dem sozialen Umfeld interagieren – und nicht zuletzt im Team und interdisziplinär mit anderen Berufsgruppen fachlich kommunizieren können. Es geht auch um ein Gefühl von Sprache und deren Einsatz.
Godfried Amouzou: Das Sprachmentoring ist ja kein Deutschkurs. Wir lernen vielmehr, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten, wann wir nachfragen sollen und wie manche Aussagen verstanden werden können – jenseits der reinen Übersetzung.
Wie werden die entsprechenden Problemlagen im Sprachmentoring analysiert?
Godfried Amouzou: Wir machen richtige Rollenspiele: etwa eine Patientenaufnahme, die Begrüßung oder die Dienstübergabe. Wir üben, die richtigen Antworten in den jeweiligen Situationen zu finden wie etwa bei der Anamnese. Und wir bekommen Tipps, wie wir beim nächsten Mal besser vorgehen können.
Wibke Siemens: Wir üben mit den Auszubildenden beispielsweise, wie Arbeitsanweisungen umgesetzt werden müssen. Wir trainieren, dass sie sich selber äußern, vor allem bei problematischen Fragestellungen. Sie lernen, den Pflegebericht exakter zu formulieren oder die Kommunikation mit den Erkrankten zu intensivieren. Wir nennen das sprachsensible Kommunikation. Dafür bekommen die jungen Leute auch zusätzliche Werkzeuge an die Hand – wie sie Blickkontakt halten und Small Talk führen etwa oder sich in den Ausbildungskursen mal in der ersten Reihe behaupten.
Wie viele Ausbildungskurse gibt es und wer nimmt am Mentoring teil?
Wibke Siemens: Das Mentoring ist freiwillig. Wir bilden zweimal im Jahr neue Pflegekräfte aus, im Frühjahr sind es meist ein bis zwei Kurse mit je 25 Teilnehmern, im Herbst drei. Im Sommerkurs 2021 hatten wir acht angehende Pflegekräfte, die am Sprachmentoring teilgenommen haben.
Godfried Amouzou: Wir müssen selber aktiv werden und Termine für das Mentoring machen. Ich bin immer sehr interessiert, daher habe ich mich gleich angemeldet. Betriebsinterne Abkürzungen, Redewendungen und abrupte Themenwechsel sind nicht immer nachvollziehbar, zumal angesichts des raschen Arbeitstempos oft keine Zeit für Rückfragen bleibt – die aber muss ich stellen, das habe ich gelernt.
Wie lange dauert das Programm?
Wibke Siemen: Die Ausbildungsdauer beträgt ja drei Jahre, am Sprachtraining nehmen die meisten Interessenten rund sechs Monate teil. Danach brauchen sie das auch nicht mehr – acht Termine reichen in der Regel.
Gibt es weitere Unterstützung?
Wibke Siemens: Wir bieten Lerncoaching und Lernberatung für alle Auszubildenden. Da geht es darum, das Lernen zu lernen. Dazu gehören auch Entspannungstechniken und Gesundheitsprävention oder wie man sich strukturiert. Wir haben auch eine gute Verbindung zur VHS, die Deutsch in der Pflege für ausländische Auszubildende anbietet.
Hat das Mentoring schon Erfolg gezeigt?
Godfried Amouzou: Ich kann mich besser erklären und mit Situationen besser umgehen. Mein Sprachverständnis ist gestärkt, ich verstehe besser, was von mir erwartet wird, und vor allem – es macht einfach richtig Spaß.